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tot & lebendig

bodo hell
Knappenhof / Zwettl – 2 Animiertheiten, zu Tageszeichnungen von Linde Waber’ (Friederike Mayröcker)

>> gelesen von bodo hell (wav):

die Malerin, Holzschneiderin und Zeichnerin Linde Waber, deren 80. Geburtstag im Mai dieses verqueren Jahres bevorsteht und der schon vorab im Aktionsradius zumindest virtuell mit einer Vielzahl von BeiträgerInnen interdisziplinär zu feiern begonnen wird, initiiert von der Aktionsradius-Leiterin Uschi Schreiber am Gaussplatz 11 in Wien Brigittenau (ab So., 26. April online unter charivari-linde80.aktionsradius.at abrufbar), diese stets präsente und extrem solidarische Künstlerin Linde Waber hat der Doyenne der österr. Literatur, der Dichterin Friederike Mayröcker (ihrem erklärtermaßen‚ vorausleuchtenden Lebensstern’) 2 ihrer ‚Tageszeichnungen’ (also 2 Beispiele ihrer täglichen Arbeitsfron über Jahrzehnte hinweg) als Textanregung zur Verfügung gestellt, beide Bilder aus dem Sommer 1996 stammend: das 1. vom 7. Juli 96 zeigt ein LANDSCHAFTS-Motiv aus der Raxgegend, die 2. Tageszeichnung vom 6. August desselben Jahres zeigt ein nahes INTERIEUR aus Lindes Zwettler Stadthaus, beides sind Motive, die nicht von ungefähr mit der Dichterin in Verbindung stehen, hatte doch ihr Motoristen-Vater – die Autorin war damals eben erwachsen geworden - im Landhaus Knappenhof in Edlach an der Rax mehrmals quasi Urlaub von der Familie genommen, weiters spielte die Stadt Zwettl mit Linde Wabers Haus und Garten bereits in früheren Veröffentlichungen der Dichterin eine inspirierende Rolle, etwa im gemeinsamen Buch UMBRA DER SCHATTEN, 1989, also 7 Jahre vor dieser neuerlichen Kooperation im Hora-Verlag erschienen

das 1. Bild von 1996 (die eine Animiertheit für Friederike Mayröcker) stellt einen menschenleeren Landschaftsausschnitt mit einem Schlängelweg zu einer roten Bank an einem Rundbassin dar, das 2. Bild (die zweite Animiertheit für die Dichterin) rückt ausschnitthaft weiße Sanitärkeramik ins Bild, beide Tageszeichnungen sind mit Stift und Pinsel datiert und tragen halbleserliche Aufschriften, die dann in der Textbearbeitung aufgegriffen werden (im einen Fall auch als sogenannte Ver-Lesung: PHÖBUS steht über dem Abtritt, heißt es bei Mayröcker, Dittinger ziehen aus, sollte das heißen und steht dort schwer leserlich in Pinselschrift hingeschrieben, erklärt auf Nachfrage Linde Waber), auch war die Künstlerin nicht gemeinsam mit der Dichterin im Knappenhof über Edlach an der Rax, sondern Linde Waber hat sich mit ihrem Mann Istvan Szikszay damals in diesem Gebirgshotel einquartiert, die Lebens-Erzählungen und Eindrücke der Autorin als junger Frau im Hinterkopf

wie Friederike Mayröcker diese beiden Erinnerungs- und VorstellungsAnimationen via Bild in ihrer freien Textgestalt einzeln aufruft (zuerst Knappenhof / dann Zwettl) und wie sie diese Imaginationen anschließend kunstvoll miteinander verschränkt, in ihrer unnachahmlichen traumhaft surrealen Logik und kühnen Zitationstechnik, wobei sich sogar Seitensprünge zu Francis Bacon und Samuel Beckett anbieten, das wird in diesem 6-Minutentext exemplarisch deutlich und hört sich aus fremdem Mund so an:

>> lesung des mayröckertextes durch bodo hell (wav)

(c) linde waber

 

mit freundlicher genehmigung von friederike mayröcker und linde waber