wider das glatte / aufruf
wider das glatte
eine gedicht-baustelle der schule für dichtung
onlineprojekt, kommentiert von fritz ostermayer.
9. september bis 15. november 2015
sfd in kooperation mit fh joanneum, graz/studiengang cms
“das glatte ist die signatur der gegenwart. es verbindet skulpturen von jeff koons, iphone und brazilian waxing.” mit diesem befund eröffnet der berliner philosoph byung-chul han sein neues buch “die errettung des schönen”. als “schön” gelte heute, was glatt ist. von diesen nackten oberflächen aus den feldern kunst, kommunikationstechnologie und sexualität führt für han ein direkter weg zur glatten vollzugspolitik des neoliberalismus. kratzer, nähte, gar bruchstellen seien in unserer alles abschleifenden kultur nur schwer zu ertragen: je rauer daher die wirtschaftlichen und sozialen realitäten, desto optimierter die sie verschleiernden glättmittel.
wenn dem so ist, dann müssen sollbruchstellen her! dann braucht es aufrauungen der polierten oberflächen, besudelungen des geschmeidigen – kurz: gedichte wider das glatte, gedichte mit eingebauten fehlern und poetischen störfrequenzen. denn erst risse und dellen offenbaren uns die hinter dem schönen schein versteckten wahrheiten. und in wahrheit machen risse und dellen das “schöne” ja erst schön. und noch einmal byung-chul han: “unmöglich ist heute die erfahrung des schönen. wo das gefallen, like, sich vordrängt, erlahmt die erfahrung, die ohne negativität nicht möglich ist”.
wir suchen sie trotzdem: unmögliche gedichte, aus denen die erfahrung der erschütterung, verletzung, aber auch der widerständigkeit spricht. krampf und kampf! gegen das glatte! die gedicht-baustelle sei hiermit eröffnet.
kommentiert werden die beiträge von fritz ostermayer.
und wie schon bei unserem projekt “unfassbare zahlenpoesie” werden die gedichte von media design studentInnen des masterstudiums communication, media, interaction & sound design an der fh joanneum, graz visualisiert werden.
wie es gehen kann, zeigt der beste:
ernst jandl
ein fehler
ein fehler ist jedem schon (paaiert) passiert
auch wenn er sich nicht geirrt hat.
der fehler ist nämlich kein irrtum,
sondern eine falsche. Daraus
wird leicht eine flasche. daß sie zerbricht
ist ein fehler, kein irrtum.