Wut Algorithmen

beitrag von: Mermaid

Knallt Handy auf den Glastisch. Leitung gekappt. Widerrede gestoppt. Gespräch abgebrochen. Atmet tief. Stöhnt Luft aus der Nase. Zündet Chick an. Inhaliert. Bläst Rauchwolken in den Raum. Auflegen? Geht gar nicht. Auf Ego zurückgeworfen. Kettenreaktion. Ungesagtes klebt auf der Zunge.

Einkaufen! Muss noch einkaufen? Jetzt? Aus heiterem Himmel. Telefonat kriecht unter die Haut. Stimme trommelt lautlos ans Innenohr. Gehör knöchelt auf Hochbetrieb: Krankenhaus, Platz wegnehmen, Nicht solidarisch, Rauchen - hallt das Echo der Membrane. Megafon verstärkt. Satzfetzen peitschen die Gemütslage. Patient*innen Platz wegnehmen? Wieso? Warum? Rauchen aufhören? Kommt nicht in Frage!

Zieht weitere Zigarette aus rotem Etui. Schnelle Züge derselben Zigarette. Löscht Kippe aggressiv. Aschenbecher füllt sich. Steht auf. Trinkt Wasser. Kehrt zum Glastisch zurück. Zurückrufen?! Nimmt nicht ab. Verdammt! Echo wird lauter. Satzfetzenwiederholung. Endlosschleifen auf dem Scherbenhaufen der Ruhe.

review von: Angela Lehner

Hier steht die Wut schon im ersten Satz. Das Handy wird auf den Glas(!)Tisch geknallt. 

Auf wen er/sie wütend ist, wird nicht enthüllt, eigentlich nicht einmal, wer wütend ist.

Es geht ums Rauchen, ums Unsolidarischsein, und um das Wegnehmen eines Platzes. Mehr wissen wir Lesenden nicht und stehen am Ende mit mehreren Fragezeichen da. Können selbst nicht wütend werden, weil der Text sich nicht entschlüsseln lässt, können aus dem selben Grund aber auch nicht das Wüten des/der Protagonistin nachvollziehen. 

Überlege, ob du in einer neuen Version der Geschichte mehr für deine Leser*innen dekodieren und sie somit an der Wut teilhaben lassen möchtest. 
Achte gerade bei sehr reduzierten Texten immer auf eine sehr präzise Wortwahl. (Dass dieselbe Person in dieser Kürze einmal"Schick/Chick" und einmal "Kippe" sagt, führt nur zu weiteren Fragezeichen inmitten von Fragezeichen.)