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wut und wutausbrüche

beitrag von: Mario1968

Im Griff

Angeblich hat der Homo Sapiens fünf Millionen Riechzellen auf der Nasenschleimhaut, um sich zwischen Duft und Gestank durchs Leben zu schnüffeln. Im Augenblick quäle ich mich durch selbes und verfluche den Geruchssinn. Aber noch mehr erzürnt mich der Umstand, dass ich zur Stoßzeit in einer vollbesetzten U-Bahn stehe und gezwungen bin, in dem Gedränge auszuharren. Dass es mir (von mir selber nämlich!) verwehrt ist, beim nächsten Türöffnen in die Frischluft zu entfliehen, weil ich (verdammt nochmal!) zu spät dran bin!
Ich lehne also an einer Trennwand, das Gesicht von meinen lieben Mitmenschen abgewendet und halte mir die Hand schützend vor Nase und Mund, um den Ekel halbwegs in Zaum zu halten. Dieser... Körpergeruch, die Ausdünstung einer Mitfahrenden macht mich wahnsinnig und trägt nicht gerade dazu bei, allzu viel Verständnis für allzu menschliche Schwächen zu haben. Im Gegenteil: ich könnte kotzen! Ich könnte... ganz spontan den hastig heruntergesoffenen, lauwarmen Kaffee schwallartig wieder loswerden und so meinen Abscheu gleich mit rausschreien!
Aber ich tu es nicht. Weil ich so bin, wie ich bin. Zu zivilisiert, zu rücksichtsvoll, verfickte Scheiße! - Um zu erkennen, wer genau mir da entgegenstinkt, müsste ich mich nolens volens den anderen Körpern nähern, mich wortwörtlich an sie ranriechen... Bei ihnen sein, den Stallgeruch annehmen.
Aber das will ich nicht. 
Ich mag sie nicht, wie sie da stehen und hocken. Sich breitmachen. Auf den Tod warten und die Luft verpesten.

review von: Angela Lehner

Der erste Satz ist genial, doch der Effekt verpufft, weil folgend zu viel erklärt, ausgeführt, beschrieben wird. Der zu Beginn gesetzte Grundton bekommt Geschwülste. Streiche alles zwischen den ersten beiden Sätzen bis "Ich lehne an der Trennwand" und spüre den narrativen Effekt.

Es ist ein Text voller ungenutztem Potential, weil der/die Erzählende sich in dem Gestanks-Gedanken verliert. Die Wut über den Gestank jedoch ist nur ein Symptom und nicht das Grundproblem der erzählenden Figur. 
Wer ist dein Protagonist? Was ist seine Grundhaltung der Welt gegenüber? Und wie lässt sich diese Grundhaltung in einer reduzierten Form, ohne sich (sprachlicher) Eskalationen zu bedienen, im Wütendwerden über eine Geruchsbelästigung während einer simplen U-Bahn-Fahrt erzählen?