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wut und wutausbrüche

beitrag von: schreiberin

Red mit mir! II

Seit einer halben Stunde sitzen wir im Wohnzimmer. Mama im Fauteuil, die Katze auf dem Schoß, ich im Sessel mit der wackeligen Lehne vis à vis. Mama redet. Wie immer redet sie ohne Unterlass. Mama kann ewig weiter reden. Sie redet ohne Punkt und Komma, bis jeder Besucher in den Seilen hängt und auf allen Vieren bei der Tür rauskriecht. Soll ich schreien, damit du mir zuhörst, Mama? Soll ich das Teehäferl auf den Boden schmeißen, dein Teehäferl, weil mir hast du keins angeboten, weil du mit deinen Gedanken ganz wo anders bist. Mama, ich hab mich von Peter getrennt, sag ich jetzt. Aha, sagt Mama, und schon ist sie wieder bei ihrer Zahnprothese, die nicht mehr hält, und beim Zahnarzt, der erst in zwei Wochen einen Termin hat für sie. Mama, sag ich noch einmal, laut und scharf sag ich es. Hörst du mir überhaupt zu? Warum fragst du mich nichts, Mama? Mama! sag ich noch einmal laut. Doch Mama schaut nicht einmal auf. Sie streichelt die Katze und ist längst beim Streit mit dem Nachbarn, dem Idioten, der immer seinen Strauchschnitt über den Zaun in ihren Garten schmeißt, und beim Penny-Markt, der kein ordentliches Fleisch mehr hat, seit sie den neuen Fleischhauer haben. Scheiß auf das Fleisch, will ich sagen, und dass du es ohnehin nicht beißen kannst. Doch bevor ich ausfällig werd, spring ich auf. Die Katze erschrickt und springt auf den Boden. Und während ich mir im Flur die Schuhe anzieh, hör ich, dass Mama weiter redet, immer weiter redet...

review von: Angela Lehner

Besser.
Du hast einen guten Ausschnitt gewählt, um das Verhältnis zur Mutter und der Erzählerin/des Erzählers zu charakterisieren, wir sehen eine Steigerung der Wut und sogar eine kleine Weiterentwicklung der Protagonistin/des Protagonisten selbst. (Wir verstehen: Wut kann auch als positives Gefühl erzählt werden, das Figuren voranbringt.)

Du hast schon sehr gut mit der Leerstelle gearbeitet, zum Perfektionieren des Textes würde ich dieses Vorgehen sogar nochmal radikalisieren. 

Während die Einleitung genau richtig ist, bringt uns der Sprung zu "Soll ich schreien?" beim Lesen raus, ist unnachvollziehbar. Streiche diesen Part, beginne den Dialog mit "..hab mich getrennt..." und spüre den erzählerischen Effekt. 

Unrealistisch/wenig Nachvollziehbar ist ebenfalls, dass die Mutter auf die konkrete Nachfrage der Protagonistin/des Protagonisten gar nicht reagiert. Zeige uns, dass sie as Gesagte in irgendeiner Form wahrnimmt. Ansonsten vermuten wir Demenz oÄ und die gesamte (Wut)Erzählung gerät in Schieflage.