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wut und wutausbrüche

beitrag von: alterlaa

Zeit Version III

Vater ist in der Zeit verlorengegangen. Gestern, heute, morgen bedeuten ihm nichts.
Räumlich ist er gut orientiert. Im Supermarkt kauft er Wurst, Eier, Milch.
Nach Feierabend fahre ich noch zu ihm. Er sieht mir entgegen, hilflose Freude im Gesicht. Trotz Zeitdruck habe ich es geschafft, einzukaufen, worum er mich gebeten hat: Wurst, Eier, Milch. 
Ich öffne den Kühlschrank. „Du warst einkaufen!“ Knalle die Tasche auf den Boden, die Milchflasche schlägt mit dumpfem Geräusch auf. „Großartig!“
Das Vatergesicht schnellt auf mich zu, der verschwommene Blick verschwunden. Stechende Knopfaugen. Schultern so breit wie früher, Rücken gerade. Feste, drohende Stimme: „Du brauchst mich nicht anzufahren!“
Hitze schießt in meine Wangen. 
Breit steht der Vater da, Autorität kann er noch. Er thront auf meinem schmalen Streifen Freiheit zwischen Arbeitstag und Abend, frisst die kostbare Zeit als wäre sie nichts.
Ich sehe weiße Punkte tanzen, höre das Blut in meinen Ohren rauschen. 
Meine Hand krallt sich den Eierkarton, ich höre ein dünnes Knacken, als er im Kühlschrank landet.
Meine Fingernägel pressen sich in die Darmhaut der Knackwurst, bis sie an einer Stelle platzt. Dresche die Wurst in das Fach neben die Eier.
Als letztes die Milchflasche, sie torkelt im Türfach, kippt fast und fängt sich.
Ich fahre herum, Krieg in den Augen.
Der Vater weicht ängstlich zurück. „Was ist heute für ein Tag?“ Der Blick verschwimmt wieder.
„Töchtertag!“ Die Kühlschranktür fliegt zu.


review von: Angela Lehner

Du hast alle Hinweise gut umgesetzt, der Text funktioniert im dritten Durchlauf einwandfrei.

Kleiner Hinweis zum Schluss: Bei "Krieg in den Augen" verfällst du kurz in eine andere Erzählperspektive (Außenansicht auf Erzählerin). Nicht machen.
Karin Leroch sagt
16.10.2024 16:08
Wenn ich bei "Krieg in meinen Augen" bleibe, stimmt es für mich wieder. Vielen Dank für die präzisen Hinweise!