alfred goubran
Am Bahnsteig - falsche prophezeiungen

alfred goubran (aut) Am Bahnsteig

beitrag von: bihamme19

Am Bahnsteig

10:52 – Ankunft des ICE aus Würzburg. Die Ankündigung – ein Versprechen.
„Ich komme“, hast du gesagt. „Um zu bleiben“, leise hinzugefügt.
Du hast Wohnung und Job gekündigt, dein Leben zurückgelassen. Leon würdest du in dessen Schulferien zu uns holen. Zu uns in die 50 Quadratmeter-Wohnung, in der noch mein Einzelbett steht.
Ich habe kein Willkommensgeschenk für dich. Vielleicht hättest du gerne Blumen gehabt. Aber schenkt man Männern Blumen?
Ich kaue an meinen Nägeln, trete von einem Bein auf das andere, schaue wieder auf die Anzeigetafel. Nur noch zwei Minuten.-Dann wird sich mein Leben verändern.
Ein neuer Schriftzug leuchtet auf. 
Der Zug hat 20 Minuten Verspätung. Geraune unter den Wartenden. Auf Züge sei eben kein Verlass.
Ich seufze.
Vielleicht bist du ja gar nicht in diesem Zug, hast es dir anders überlegt.
Noch einmal ändert sich die Dauer der Verspätung.
Dann erlischt die Anzeige.

review von: alfred goubran

Gut, stimmig und schnörkellos geschrieben. Alles steuert auf den letzten Satz zu, das "Erlöschen der Anzeige", wunderbar mehrdeutig. Auch das der Text damit zu Ende ist … Kann zu dem Text nur gratulieren.