alfred goubran
Hüttelbergstraße 4 - falsche prophezeiungen

alfred goubran (aut) Hüttelbergstraße 4

beitrag von: bihamme19

Hüttelbergstraße 4

Die scharfen Eisenzähne bohren sich ins Gewebe, graben sich ein, reißen Stücke heraus, legen Wunden frei.
Sie kauen nicht, schlucken nicht, verdauen nicht.
Die nutzlosen Teile fallen durch das abermals geöffnete Gebiss in den Staub.

Die Tür zum Balkon führt ins Leere.
Ein großes Nichts ist die Wand zum Schlafzimmer.
Vom Gehsteig gegenüber sehe ich die Reste der Blümchentapete in der Küche.
Zerborstene Scheiben, schiefhängende Rahmen.
Euer Zuhause verschwindet mit jedem Bissen des metallischen Ungetüms.

Opa hat dich einst über die Schwelle getragen, dich im Schlafzimmer sanft aufs Bett gelegt.
Den Duft seiner Pfeife habe ich nie gerochen, nur den des Bratens, der durchs Haus zog, gefolgt von süßen Wölkchen deines Kaiserschmarrens.
Du hast geweint um deinen Mann, den du nicht beerdigen konntest, um das gebrochene Versprechen eines gemeinsamen Lebens.
Getröstet hat dich nur die Wärme des von ihm gebauten Hauses, das dir und Mama Schutz bot.
Es hat die schlimmsten Zeiten überdauert.

Doch jetzt duften nicht einmal mehr die Blümchen der Tapete, die das kleine Mädchen pflücken wollte.
Sie verwelkten, denn ihr hattet keine Vase.

review von: alfred goubran

Kein Bezug zum Thema der Übung („falsche prophezeiungen“). Trotzdem ein paar Anmerkungen:
Mauern/Mauerwerk sind kein „Gewebe“; „Ein großes Nichts ist die Wand zum Schlafzimmer“ – Nein, sicher nicht; „Den Duft … von süßen Wölkchen deines Kaiserschmarrens“; 
Der letzte Absatz ist poetisch/gelungen (beinahe ein Gedicht), paßt aber irgendwie nicht zum Rest des Textes.