alfred goubran
fischzeit - falsche prophezeiungen

alfred goubran (aut) fischzeit

beitrag von: alterlaa

fischzeit

fischzeit
mir träumt, dass der himmel rot ist. bin ein wesen aus kopf und schwanz, komme aus dem malzfarbenen meer an land. robbe über aufgebrochenen boden, während mir füsse wachsen.
mit fischenen augen blicke ich zur riesignahen sonne hoch. mein bewusstsein auf einen punkt geschmolzen, konzentriert. gleichzeitig erinnere ich mein früheres leben. lecke langzüngig nach den trägen insekten, die sirrend landen. klettere über scherbene glasflaschen, rutsche aus auf dem plastiksack, der im heißen wind treibt. augen brennen. 
ein anderer wie ich kommt gekrochen. weiß punktinstinktiv: nicht feind. beute. sprung. kaue lange an ihm, er ist fettweich und bitter.
mehr solche wie ich kommen, kriechen aus dem meer. wir fixieren einander. ein paar fressen sich an den batterien voll, die aufgeplatzt überall liegen. 
dunkelhimmel. blitz und donner beginnen, saugen die szenerie an sich. sturm rast über das land. reißt mich mit staubwolken hoch, hebt das meer, das weit ausholt und das trockene land verschlingt.
und quer über den himmel steht ein wort geschrieben.
ich wache auf: nur ein traum. das wort, was war es. fischzeit. vielleicht irgendwann. Noch lange nicht. Weit, weit entfernt, in alter zukunft. 
doch dann schaue ich in den spiegel.

review von: alfred goubran

„doch dann schaue ich in den spiegel.“ – CLIFFHANGER, dachte ich zuerst, doch bei wiederholter Lektüre hielt sich dieser erste Eindruck nicht, sondern schien mir vielmehr wie ein Hinweis darauf, daß der Erzähler/die Erzählerin gar nicht tatsächlich aus dem Traum aufgewacht war, sondern ihm/ihr vielleicht nur träumte er/sie sei aufgewacht. In einem anderen Traum und das würde ihm/ihr durch den Blick in den Spiegel bewußt (oder besser: es zeigt sich ihm/ihr). In dieser Traumwelt, die in ständiger Wandlung und in Bewegung ist. In der alles Gegenwart ist … sprachmächtig erzählt, unheimlich auch, etwa daß Bild der Tiere, die sich an den Batterien vollfressen. Und dann dieses Wort, das quer über den Traumhimmel geschrieben steht: Fischzeit. – Ich kenne es von Schildern an Gasthäusern, aber ich habe erfahren, daß es sich auch auf die günstigste Zeit zum Fischefangen beziehen kann … doch das sind im besten Fall nur Andeutungen. Der Wandlungscharakter dieses Traums macht auch vor dem Titel nicht halt …
Fazit: Ein kurzer, beeindruckender, intensiver Text. 
Folgende Formulierungen fand ich nicht so gelungen: mit fischenen augen – scherbene glasflaschen – weiß punktinstinktiv.
Sehr gut hingegen: fettweich

(Review influenzabedingt etwas verspätet. (Allgemeiner Hinweis: Ich wurde informiert, daß die Kommentarfunktion nicht funktioniert. Sollte in den nächsten Tagen behoben sein.))

kommentare

Alexandra Bolena
06.10.2025 17:11

toller Text! Sehr eindringlich!! PS: Bei den Formulierungen bin ich über die geichen Worte gestolpert..

Karin Leroch
10.10.2025 13:28

Danke für den Kommentar :-)

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