Ich bin alt. Die beiden mir gegenüber ebenso.
Ein Paar, das sich an der Hand hält. Es zieht meine Blicke auf sich.
Ihre faltigen mit Flecken übersäten Hände liegen auf dem Oberschenkel der Frau, gebettet auf dem weichen Wollstoff ihres Wintermantels. Die Finger ineinander verschlungen. Der Mann streichelt mit seinem rauen Daumen sanft über die dünne Haut ihrer Hand.
Sie lässt es geschehen, schenkt ihm einen kurzen Blick, lächelt.
Ihre rechte, seine linke – keine hat die Überhand.
Wie lange schon sind die beiden sich so verbunden, halten, stützen, lieben einander?
Ein Versprechen, das nicht gebrochen wurde.
Jetzt vergrabe ich meine Hände tief in den Taschen meiner Jacke.
Ebenso faltig und voller Altersflecken wie die des Paares vis-à-vis.
Auch mir hätte es an nichts fehlen sollen. Ich brauchte nicht zu arbeiten, lebte in einem großen Haus, hatte Bedienstete.
Bei diesen Worten, seinem Antrag, hatte ER seine große Hand auf meine gelegt.
„Du gehörst jetzt mir.“ Ich hatte nicht auf den Subtext geachtet, die Schwere der behaarten Männerhand, den harten Griff seiner Finger nicht spüren wollen.
Meine kleine, zarte Hand eisern umschlossen von seiner.
Meine Finger wurden taub. Bald spürte ich die Lähmung im ganzen Körper.
review von: alfred goubran
Die Exposition dieses Textes finde ich gut, die Ausführung, bis auf den letzten Absatz, vor allem atmosphärisch geglückt.
„Auch mir hätte es an nichts fehlen sollen.“ – Das „auch mir“ ist ein wenig willkürlich, denn der Protagonist/die Protagonistin kann nicht wissen, was und ob dem Paar etwas fehlt. Hier würde es genügen festzustellen „Mir hätte es an nichts fehlen sollen.“ – Dazu auch, einige Zeilen davor: „Ein Versprechen, das nicht gebrochen wurde.“ – es ist doch eher „das Bild“ eines Versprechens, das nicht gebrochen wurde …
„Bei diesen Worten, seinem Antrag,“ – Bei seinem Antrag …?
„Ich hatte nicht auf den Subtext geachtet, die Schwere der behaarten Männerhand,“ – Welchen Subtext? Das Wort paßt hier irgendwie nicht; vielleicht Drohung (unterschwellig) … soll heißen, man hat den Satz nicht für wahr genommen.
Sehr schön die letzten beiden Sätze. Das „Bald“ würde ich vorziehen oder verdoppeln oder das zweite durch ein „später“, „nach und nach“ o.ä. ersetzen: „Bald wurden meine Finger taub. Nach und nach ergriff ich die Lähmung den ganzen Körper.“ (Bitte nur als Anregungen zu verstehen).