beitrag von: Reimund
Weihnachten in Castle Rock
weihnachten mit stephen king
„Die Kekse im Ofen eines Mannes sind steiniger, Luis“, sagte Creed Hambull… und dann begann sich sein Gesicht zu verformen.
Luis war gerade dabei, die Tanne ins Auto zu laden, als die Schreie begannen.
Rick Hulloram hatte etwas Magisches an sich. Der alte Afroamerikaner strahlte eine stille Würde aus, eine tiefe, freundliche Weisheit schien von ihm auszugehen und das Einkaufszentrum zu erfüllen.
Luis konnte spüren, dass sich sein Sohn Benny gut mit ihm verstehen würde. „Ich muss noch ein paar Geschenke einladen, warum gehst du nicht zu dem Santa dort drüben und setzt dich auf seinen Schoß?“
„Okay Dad“, rief Kenny und rannte schnurstracks zu ihm rüber.
„Ho ho ho“, lachte der alte magische Weihnachts-Negro, „warum fasst du nicht mal in meine Hose, ich hab da ’ne Überraschung für dich!“
„Okay Mister Hamorall – wow, das ist aber ein dickes Ding!“
„Ja ja, Danny mein Junge! Gewöhn dich schon mal dran“, und er grinste frech, was Flanny ein Lächeln entlockte.
„Sag mal Kleiner… kann es sein, dass du manchmal Sachen siehst… oder hörst… oder riechst… die von Anderen nicht wahrgenommen werden?“
Dunley blickte verschämt zu Boden.
„Keine Sorge, mein Kleiner, mir kannst du’s ruhig sagen, ich bin sogar selbst ein bisschen hellsichtig!“
„Echt wahr, Mister?“ Flonny machte große Augen.
„Ja-ha, und ob mein Kleiner! Das hab ich von meiner Grandma geerbt, sie nannte das ihr Shine-Aufenthaltsvisum. Sie konnte riechen, was andere Menschen gedacht haben… und manchmal hat sie Leute gesehen, die nicht mehr am Leben sind! Hast du schon mal Tote gesehen, die ganz quicklebendig herumspazieren?“
„Ja, überall… morgens in der U-Bahn und auf dem Highway, am Weg zur Arbeit… und einmal hab ich sogar ’n richtiges Gespenst gesehen, Mister! Das war ganz halbtransparent und voller Würmer innen drin… u-und manchmal höre ich, was andere denken… besonders wenn ich auf Acid bin!“
„So so, mein Junge… und was sagen deine Scheiß-Eltern dazu?“
„Mom mag es nicht, wenn ich in ihren Kopf hineinschaue… oder wenn ich in ihre Handtasche pinkle und sie eine alte **** nenne… ich glaube es macht ihr Angst!“
„Hmm, tja Timmy-Boy, das denk’ ich auch… vielleicht solltest du den Scheiß in Zukunft lieber lassen, sonst sperrt man dich noch in die Klapsmühle! Und du kannst dir sicher denken, was dort mit so hübschen kleinen Jungs wie dir geschieht… oder kannst es in meinen Gedanken lesen.“
„Au weia, Mister – danke für den Tipp!“
„Keine Ursache, Kleiner! Hier, nimm noch 'nen Zug von meiner Crackpfeife… aber erzähl’s bloß nicht deinem Vater!“
„Danke Mister… keine Sorge, der ist sowieso meistens besoffen.“
„Und wegen dieser Visionen musst du keine Angst haben“, log ihm der alte magische dunkelhäutige Afroamerikaner freundlich zwinkernd ins Gesicht… und mit einem saftigen Klaps auf den Po schickte er Jonny seines Weges.
„Prächtigen Jungen haben Sie da, Luis! Wette, der bereitet Ihnen jede Menge Ärger!“
„Allerdings“, lachte Luis, „manchmal würde ich den kleinen Bastard am liebsten zum Mond schießen, besonders jetzt um die Weihnachtszeit.“
„Das kann ich mir denken! Aber nun wird’s langsam Zeit, dass ich mich wieder verpisse. Ein schönes Fest noch euch beiden!“
„Danke, Rick! Tolles Kostüm übrigens, wenn auch etwas versifft… sagen Sie, haben Sie am Heiligen Abend schon was vor? Wenn Sie wollen, können Sie uns Gesellschaft leisten, der kleine Toomy würde sich bestimmt freuen, er ist ja ganz vernarrt in Sie!“
„Danke für das Angebot, weiss ich wirklich sehr zu schätzen, Mister. Aber ich denke, ich werd's mir in meinem Karton unter der Highwaybrücke bequem machen, ein bisschen Fusel dazu, vielleicht eine Mülltonne anzünden…“
„Klingt herrlich… aber wenn Sie sich’s noch anders überlegen, können Sie jederzeit anrufen! Hier, unsere Nummer.“
„Danke, Luis… mächtig freundlich von Ihnen. Frohe Weihnachten!“
„Frohes Fest auch Ihnen“, sagte Luis, drehte sich um und stapfte zurück zum Auto. „Na, Tonley-Boy – bereit nach Hause zu fahren?“
„Jawohl, Sir“, sagte Fumley, „Mom wartet sicher schon… wenn sie noch lebt!“
review von: michael ziegelwagner
Ein Text, fast ausschließlich dialogisch. Der problematische Topos des gutmütigen "Magischen Schwarzen" wird sehr gut und vollumfänglich bedient. Lachen musste ich über die wechselnden Namen des kleinen Schlummy.
"Hast du schon mal Tote gesehen, die ganz quicklebendig herumspazieren?" – "Ja, überall… morgens in der U-Bahn und auf dem Highway, am Weg zur Arbeit…": Ein Wortwechsel wie aus den Sprechblasen einer "Shining"-Parodie in MAD bzw. aus der Feder des legendären deutschen MAD-Redakteurs Herbert Feuerstein. Daumen rauf!
Die Schlüpfrigkeiten hingegen m.E. unmotiviert (Griff in die Hose), auch die Drogen- und Alkohol-Anspielungen wirken eher als Pointen-Ersatz. Die stellenweise derbe Sprache kommt mir etwas forciert und künstlich vor ("Scheiß-Eltern", "verpissen"): Zwar drücken sich die einfachen Arbeiter bei Stephen King auch nicht sonderlich gewählt aus, aber hier scheint die Ausdrucksweise nicht recht zur Figur und zur Situation zu passen.
Gehören die ersten beiden Sätze bis zu "Rick Hulloram" zum Rest? Sind es Notizen? Von welchen Schreien ist die Rede? Der allerletzte Satz bringt noch einmal Spannung rein.
Danke für das Feedback!
Ja, für die unmotivierten Schlüpfrigkeiten, Drogen-Anspielungen, Derbheiten etc. muss ich mich wohl entschuldigen – ich denke, sie sind zum großen Teil einfach der Primitivität meines Humors geschuldet.
Normalerweise würde ich mich derartiges herzuzeigen gar nicht getrauen… so landet es sich äußerst schnell in einer Schublade sehr weit – oder ganz – unten. Wahrscheinlich lag es auch an dem schändlichen Einfluss des über diesem ganzen Projekt thronenden Marquis de Sade.
Die unpassende Ausdrucksweise in bestimmten Momenten amüsiert mich jedoch, gerade WEIL sie in diesen Momenten so unpassend ist… typische King-Charaktere sind oft derart simpel gestrickt und ihre Dialoge so klischeehaft, dass es mir einfach Freude bereitet hat, sie zu sabotieren. Es ging mir dann sozusagen eher um den Sprachrhythmus und das Timing (gerade die „Scheiß-Eltern“ z.B. gefallen mir interessanterweise immer besser – obwohl ich bei vielen anderen Stellen zustimmen muss).
Der erste Satz bzw. Absatz („Die Kekse…“) war ursprünglich kursiviert und eigentlich nur als Zwischentitel oder Appetithäppchen gedacht.
Der zweite Satz („Luis war gerade dabei“…) ist der eigentliche Beginn des Textes. Er ist – wie der erste Satz in fast jedem King-Text – besonders klischeehaft-reißerisch angelegt, um ein Maximum an Aufmerksamkeit zu generieren… von daher auch das „als die Schreie begannen“ am Satzende.
Dass der Text dann später nie mehr auf diese Schreie zurückkommt oder näher eingeht, fand ich eigentlich recht amüsant, weil es ihn noch absurder macht.
Der allerletzte Satz ist dann auch wie das typische Ende einer Horror-Kurzgeschichte angelegt, mit noch einem Twist am Ende / einem letzten kleinen Schock hintendrein. Das „…wenn sie noch lebt!“ war ursprünglich auch kursiv gesetzt.
(Auch sonst noch einiges… leider ging auch ein bisschen was verloren, da ich hier den Text nicht formatieren konnte, kursiver Text wäre mMn. aber gerade bei Stephen King relativ wichtig.)