beitrag von: Arnoldovan
Das regelt der Weihnachtsmarkt
weihnachten mit Thomas Gsella
Es drängelt sich nun Schwein an Schwein,
Und lässt hier seine letzte Kohle
Für Glühwein-Ekel-Reste-Bowle,
Zum Schluss fährt jemand in die Menge rein.
Und Kotze kehrt die Reinemachefrau,
Der Rest des Handbrots: in den Müll.
Es ist doch immer ein Idyll:
S’ist Weihnachtsmarkt, du dumme Sau!
Von Stand zu Stand sieht man Gehetzte,
Voll Schleim und Viren: Vogelgrippe.
Zum Überdruss läuft dann noch Wham,
Ach wär dies „Christmas“ doch das Letzte!
Dann läg am Ende in der Krippe:
Das tote Kind von Bethlehem.
review von: michael ziegelwagner
Eine Premiere: Zum ersten Mal wird jemand parodiert, den ich kenne! Kurz habe ich überlegt, Thomas Gsella eine Gast-Review schreiben zu lassen, aber es mir dann aus quasi-protestantischem Arbeitsethos verkniffen.
Die ersten drei Zeilen sind sauber, auch gut konfrontativ ("Schwein an Schwein"), in der vierten wird es holprig. Alternativ: "Dann fährt wer in die Menge rein"?
Ab Zeile fünf wechselt der Rhythmus, danach bleibt es (für mein Ohr) konsistent. An der Metrik also bitte noch arbeiten. Als Pointen (oder Pointen-Transporter) fungieren harte Themen (Amok am Adventmarkt, Vogelgrippe), Verbalinjurien (über "du dumme Sau" musste ich, zugegeben, lachen, vielleicht auch wegen Klaus Kinskis Stimme in meinem Ohr), Alkohol, Kapitalismuskritik (im Titel) und ein inzwischen fast klassisches Weihnachtswitzthema: Wham; schön ausgeführt und verreimt in der dreifachen Anspielung "Ach wär dies 'Christmas' doch das Letzte!"
Interessant an diesem Text: Wie parodiert man eine komische Vorlage? Die groben Witze, die Gsella hier offenbar zugeschrieben werden, müssen ja noch einmal überhöht, also vergröbert werden. Aus dieser Logik ergibt sich wohl auch die geradezu unmenschliche Schlusspointe. -- Die allerdings, wenn man es weiterdenkt, nicht nur das Jesuskind beseitigt, sondern Weihnachten insgesamt. Ein geradezu radikalkritischer Ansatz.