beitrag von: Prinzyussuf
Unter dem Mantel (2. Versuch)
Es wird böse enden. Doch das bemerkst du spät. Du siehst das Mädchen an, das niemals böse sein kann. Solange es tut, was man erwartet. Brav opfert es sich, gut gut. Die kleinen Artigkeiten schimmern dunkel, eingewebt in engelsgleiche Alltäglichkeit. In freundlichem Ton spuckt das Mädchen dir sanft Worte ins Gesicht, die erst viel später giftig in die Blutbahn sickern. Noch bewunderst du den blauen Mantel der immerlächelnden Madonna. Darunter brennende Haut und schwärende Wunden. Und ein Messer, das deinem Irrglauben ans Gute an die Gurgel geht.
review von: Sibylle Berg
interessant ist: warum schon zu beginn den text verraten? es wäre doch schön, der leser würde am ende böse überrascht?
Du siehst das Mädchen an, das niemals böse sein kann. Solange es tut, was man (Mann?) erwartet. Brav opfert es sich (dem Mann?), gut gut (sagt der Mann?).
außerdem interessant: warum ist das mädchen "gut", so lange es sich opfert oder erwartungen erfüllt? und "böse", sobald es sich gegen diese erwartungen wehrt? steckt hier eine rollenverteilung drin, die den mann zum herrscher über gut und böse macht? dem die eigene vorstellung vom guten durch die frau amputiert wird?
und wenn ja, warum, mal von der wiederholung biblischen murks abgesehen? wollen sie das bild einer heuchlerin oder eines patriarchen zeichnen?
stil: in der einfachheit liegt die kunst.