phont / statements

english version please see below!
 



     

phont – phonetic typewriter

orhan kipcak

phont verwendet die zeichen des internationalen lautalphabets als tasten einer virtuellen tastatur. die töne, die von diesem phonetischen alphabet bezeichnet werden, können mit phont zu sprechkonstrukten zusammengefügt werden. das sprechen, das von der systematik des phonetischen alphabets in seine kleinsten akustischen bestandteile zerlegt wird, kann von phont wieder zu sprache zusammengefügt werden – allerdings erzeugt dieser vorgang brüche, an denen deutlich wird, wie vielschichtig und fragil die bedeutungen sind, die das sprechen entstehen lässt. diese bruchlinien finden wir interessant (und unterhaltend). 

phont ist besonders henri chopins poésie sonore verpflichtet. so wie chopin ab den 50er jahren die tonbandmaschine als einen lyrischen apparat eingesetzt hat, verwenden wir den computer als poesiemaschine. das ziel war nicht nur eine software herzustellen, die poetische  oder sprachexperimentelle erfindungen ermöglicht, es war zudem beabsichtigt eine eigene formale schwerkraft zu gestalten, die die bauteile des sprechens aus der abstraktion einer analytischen systematisierung befreit. mit diesem recht ambitionierten gedanken schließen wir vorerst – weitere werden folgen.

 

phont – phonetic typewriter

orhan kipcak

phont integrates characters of the international phonetic alphabet into a virtual keyboard. phont builds language constructions with the sounds matching these characters. the phonetic alphabet divides human speech into its most basic units, which are then reassembled by phont. this process, however, creates fractions, which illustrate how fragile and multi-layered the dissected meanings of speech really are. we find these fractions interesting (and entertaining).

phont is particularly devoted to henri chopin's poésie sonore. In the same manner as chopin in the 1950s used an audiotape machine as a lyric device, we use computers as poetic instruments. the aim was not only to develop a software which enables the user to create fragments of experimental language, but also to produce a formal force of gravity, which frees phonemes from the abstraction within their analytic systematisation. we will end the introduction with the mention of this quite ambitioned thought for now; others will follow.


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die lärmende schreibmaschine

peter glaser

worum wir schriftsteller die musiker in den frühen achtziger jahren oder wahrscheinlich seit jeher beneidet haben, war das entertainment, das vergnügen, die show, der glamour, das großaufgebot an technik – verstärkertürme, kabeltrossen, scheinwerfergerüste –, und vor allem, dass musik sich unmittelbar in körperlichkeit umsetzt. ich war immer beeindruckt von den schönen maschinen der musiker. meine elektrische schreibmaschine war dagegen ein kärglicher apparat, der der ausgestaltung von etwas viel zu leisem, glasgesponnenem diente.  

ich bin früh mit computern in berührung gekommen, ende der siebziger jahre, und mein großes interesse an den maschinen hat sich auch an der tatsache entzündet, dass mit dem computer erstmals eine schreibmaschine verfügbar war, mit der man auch musikalisch ernstzunehmende formen von lärm machen konnte. damals war das für mich die größte erfindung seit dem tiefen teller. ich konnte schreiben und zugleich einen teil des respekts in anspruch nehmen, der sonst nur dem besitzer eines musikinstruments zukam. 

in der punk-zeit war musik die unangefochtene königsdisziplin. so was wie punk-literatur oder punk-kunst konnte es nicht geben, weil die musiker viel zu schnell waren. in dem buch "verschwende deine jugend" von jürgen teipel, chronist dieser zeit, bin ich der einzige schriftsteller. es erforderte einen unbedingten willen zum schriftstellersein, wenn man 1979 in diesem kulturraum als weltveränderungsmittel seiner wahl angab, dass man schreibe. das war hartes brot. es war damals im grunde unvorstellbar, dass jemand kein popstar werden wollte. ich habe die ersten jahre in einem keller, der eher ein aufnahmestudio war, mit dem wie ich aus graz exportierten musiker xao seffcheque zusammengewohnt. es waren musiker sonder zahl bei uns zu gast und ich fand es großartig, wie sie mich und meine schreibmaschine tolerierten. junge menschen voller großmut und freundlichkeit: punks.

manchen der musiker habe ich angemerkt, dass sie mich und meine schreibmaschine als lebende fossilien ansahen. schriftsteller schienen damals noch von einer geheimnisvollen strahlungskraft des geistigen überzeugt zu sein, die den zuhörer beim lesen oder bei lesungen durchwirken würde, so wie die musiker in den jahren davor überzeugt gewesen waren von einer vibrations genannten geheimnisvollen wirkungsmacht. mit elektrischen und dann elektronischen instrumenten, moderner sound- und bühnentechnik und schließlich der virtualisierung der ganzen gerätschaften im computer hat sich aus der kleinen lärmschreibmaschine inzwischen ein tragbares orchester für ausdrucksmittel entwickelt, die nun nach und nach erforscht, erkundet und erspielt werden.


the raucous typewriter

by peter glaser

what we, the writers, have begrudged the musicians in the early eighties, or maybe ever since year one, were the entertainment, the enjoyment, the show, the glamor, the vast amount of technical devices, towering stacks of amplifiers, cable racks, spotlights but most of all, the direct and intuitive translation of music into physicality. i have always been impressed by the neat equipment of musicians. my electric typewriter, on the other hand, was a scanty apparatus that served the purpose of something far too quiet.

i came into contact with computers already by the end of the seventies. among other reasons, my fascination for these machines was due to the fact that they were the first typewriters that enabled us to produce noise, which one could even perceive as “musical”. to me, this was the greatest invention since the soup plate. i could write and at the same time receive some of the respect that otherwise only owners of musical instruments were entitled to.

during the punk era, music was the unchallenged queen of disciplines. something like punk literature or punk art could not exist, because the musicians were simply too fast. in the book 'verschwende deine jugend' [waste your youth] by jürgen teipel, a chronicler of this time, i am the only writer mentioned. to choose writing as a means to change the world in 1979 demanded a great devotion to the cause. it was a tough go. for someone not to become a pop star was essentially unthinkable at that time. during the first years i lived in a basement, that was more of a recording studio, together with the musician xao seffcheque, who was an “export product” from graz, just like me. we always had a number of musicians over, and i loved how they tolerated me and my typewriter. young people filled with generosity and kindness: punks.

i could feel that some of them regarded me and my typewriter as living fossils. at that time, writers seemed to be convinced that something like a secret “radiance of intellect” existed, which would pervade the audience while reading or during readings; just as the musicians in the years before that were convinced of the secret power of something called vibrations. with the emergence of electric and electronic instruments, modern sound and stage control systems and finally with the virtualisation of all these via computer, the small raucous typewriter has by now developed into a pocket orchestra with a variety of means of expressions that today are being researched, explored and played with.


fotos: orhan kipcak (© adm), peter glaser (© karola riegler)