sie sind hier: startseite / übung

sudelmedia / übung

sudelmedia

onlineklasse mit jürgen berlakovich

 

© nikolaus gansterer: "wirkblablase" (zeichnung, bleistift, fineliner für die sfd)

 

social-media hat in den letzten 15 jahren unsere kommunikationsweise nachhaltig beeinflusst und verändert und teilweise in absurde und bizarre richtungen gelenkt. noch nie war es leichter zu manipulieren, lügen zu verbreiten, vernunft durch whataboutismus zu ersetzen, mikroideologische verzerrungen in die welt zu entlassen um dann dabei zuzusehen, wie sie ihre wirklichkeitszersetzende arbeit fortsetzen.
in der übung sollen formale und argumentative grundstrukturen aktueller social-media-plattformen literarisch untersucht werden. welche manipulative kraft steckt hinter diesen formaten? welches propagandapotenzial? und wie können autorinnen und autoren diese mechanismen freilegen, beschreiben und nutzen, ohne dabei selbst teil der manipulationsmaschinerie zu werden, die uns derzeit fassungslos vor dem weltgeschehen stehen lässt?
in kurzen, auf 300 zeichen reduzierten aphoristischen texten sollen die vielfältigen wirklichkeitsverzerrungen digitaler kommunikationsformen ad absurdum geführt werden. lassen sie ihren bizarrsten und irrsten gedanken freien lauf und versuchen sie dabei, so seriös und überzeugend zu wirken, wie nur irgendwie möglich. die klasse wird zu einer eigenen, kleinen literarischen social-media-blase, in der alle teilnehmenden durch ihre beiträge gemeinsam eine zufällig zusammengewürfelte, abstrakte erzählung über den momentanen zustand der welt im 300 zeichen takt erschaffen.
die sammlung: einzelne beiträge werden von jürgen berlakovich ausgewählt und sind dann in einem eigenen bereich gesammelt nachlesbar (s. menüpunkt oben: "sudelmedia").

 

jürgen berlakovich zur aufgabenstellung:

schreiben sie kurze, auf 300 zeichen reduzierte, aphoristische texte, die sich mit den vielfältigen wirklichkeitsverzerrungen digitaler kommunikationsformen beschäftigen.

benutzen sie manipulationsmuster und argumentative taschenspielertricks. verhalten sie sich ganz genau so, als wären sie auf ihrer bevorzugten social-media-plattform. erfinden sie für sich einen troll. stellen sie bizarre behauptungen und absurde vergleiche auf. durchziehen sie ihre aphorismen mit irrelevanten fakten, lenken sie von den themen anderer ab, indem sie whataboutismen einbauen. regen sie sich darüber auf. versuchen sie, von ihnen vermutete, kluge alternativen zu formulieren. empören sie sich über ungerechtigkeiten in der welt und preisen sie damit gleichzeitig unauffällig und ganz selbstverständlich immer auch sich selbst an. haben sie stets einen hintergedanken. lassen sie ihrer wut freien lauf. formulieren sie so, dass sie dafür nicht mehr als 300 zeichen benötigen. natürlich immer im rahmen des literarisch-fiktionalen. nehmen sie es nicht zu ernst. haben sie spaß dabei.

von mir kommentiert werden allgemein neben den inhaltlichen qualitäten der aphorismen natürlich auch grundlegende literarische kompositionsprinzipien. achten sie hier vor allem auf die klanglichkeit und den rhythmus der sprache.

hier ein beispiel aus meinem roman nobot:
Das menschliche Denken ist nichts anderes als eine riesige Müllhalde, vollgeräumt mit Millionen von permanent mutierenden, ideologischen Mikropartikeln, die unsere unbedeutende und substanzlose Weltsicht prägen und nachhaltig beeinflussen.
(jürgen berlakovich: nobot: twitter noir. klever verlag, wien 2022)

allgemeine info: 

ein aphorismus wird ganz allgemein als ein einzelner gedanke, ein urteil oder eine lebensweisheit definiert. aphorismen bestehen meist aus nur wenigen sätzen und werden sowohl der welt der literatur und somit des fiktionalen als auch der welt der philosophie und reflexion zugeordnet. eine ideale textsorte also, um gängige social-media-kommunikationsformen literarisch zu bearbeiten, zu fiktionalisieren und idealerweise dabei gleichzeitig philosophisch zu untersuchen. 

literatur:
georg christoph lichtenberg: sudelbücher
jürgen berlakovich. nobot
ingrid brodnig: einspruch! verschwörungsmythen und fake news kontern.
ingrid brodnig: lügen im netz. wie fake news, populisten und unkontrollierte technik uns manipulieren.
markus gabriel: fiktionen 

die teilnahme an dieser klasse ist von 1. bis 29. februar 2024 möglich.
die teilnahme ist kostenfrei. im menü oben auf teilnahme klicken.

sollte noch kein sfd-account vorhanden sein, einfach ab 1.2. registrieren und teilnehmen.
alle beiträge als auch die reviews von jürgen berlakovich sind online für jede/n einsehbar.
pro teilnehmenden sind insgesamt max. 10 beiträge möglich.


jürgen berlakovich

schriftsteller, musiker und klangkünstler. er schreibt, komponiert und produziert romane, filmmusik, hörspiele, soundessays, audiokarikaturen und palindromsongs. er verwendet dna-sonifikationen und sprachliche mikropartikel in kombination mit gitarre, bass und elektronik für seine kompositionen und konzerte. er betreibt das jsb-trio, ist ensemblemitglied von the vegetable orchestra und war co-initiator des literatur- und musikperformance-duos sergej mohntau. berlakovich studierte deutsche philologie und philosophie an der universität wien und lehrt seit 2004 an der sfd. publikationen und auftritte auch unter juergen berlakovich, j.s. berlakovich, jsb und takamovsky.
aktuelle publikationen: tobman (roman, 2018), nobot (twitter noir. 2022), beide erschienen im klever verlag.
sfd-podcast- gespräche http://sfd.at/podcast seit 2023.
https://sfd.at/lehren-und-lernen/faculty/juergen-berlakovich