#sfd-twitter-onlineklasse / übung

eine der spannendsten aktuellen sprachentwicklungen und impulse für
literatur ist wohl diese merkwürdige kunstsprache, die sich seit ein
paar jahren auf twitter entwickelt hat. denn das soziale netzwerk
twitter.com wird tatsächlich außer fürs sinnlose streiten und die
sinnvolle verbreitung von süßen tierbildern auch für so etwas wie
literatur genützt. durch die limitierung auf die wenigen zeichen und die
schnelle taktung des immer wieder neues rausballerns, die
serialisierung, ver-meme-isierung und virale verbreitung und verwurstung
von allem, auch dem fehlerhaften, von glitches und fragmenten, die sich
dann wieder in tausend milliarden kleine und kleinste subströmungen
zergliedern und ausbreiten, haben wir hier ein lebendigstes
sprach-biotop, einen sprach-fleischwolf, in dem von außen betrachtet
vermutlich leicht befremdlich wirkende sprachverwendungen und
weltaneignungen erprobt oder halt ganz einfach: gemacht werden.
ist es zerstückelung, verhunzung und niedergang von sprache und dichtung oder
kreative ständig-adhoc-neuschöpfung, merkwürdige semiotische ursuppe, in
der alles möglich ist? oder beides? wir schauen mal genau hin: bildet
sich hier gerade ein eigenes poesie-genre (“twitteratur”?) heraus, oder
ist es eine art proto- und para-literatur, die sich da zusammenbraut?
oder etwas ganz neues, für das wir noch keine begriffe haben, das
vielleicht erst später als die poesie unserer zeit erkannt werden wird
(oder eben nicht!)?

wir suchen die absichtsvollen, versehentlichen, in
kauf genommenen, (zu sehr oder zu wenig oder gerade richtig) gewollten
poesieentwicklungen zwischen drukos, drükos, threads, replys, bots und
tweets und schreiben selbst wertvolle und spezielle tweets.

1. aufgabe:

bevor wir neu erfinden, was es längst schon gibt, recherchieren wir: was gibt es denn schon alles auf twitter.com, das literarische kraft entfaltet?

bitte also drei tweets und/oder twitter-accounts suchen, die für euch besonders literarisch wirken. Dies können selbst explizit literarischen anspruch stellende sein – oder vielleicht noch interessanter: welche, die vermutlich unabsichtlich oder zumindest ohne erklärte absicht poetische momente bei twitter erzeugt haben. bitte zu jedem beispiel versuchen kurz zu beschreiben: welche (schreib-)techniken, sprachverwendungen, strömungen werden hier aufgenommen und verwendet? lassen sich aus diesen beispielen so etwas wie (literarische) twitter-genres ableiten? was davon reizt inwiefern zur fortführung, weiterentwicklung, künstlerischen appropriation?

  • die ergebnisse der recherche werden unter sfd.at in kurz vorgestellt (pro eintrag max. 2000 zeichen).

alle beiträge und kommentare bisher >> sfd.at/programm/2019/twitterklasse/alle-beitraege

 

2. aufgabe:

basierend auf den erfahrungen der 1. aufgabe verfassen wir tweets in ihrer natürlichen umgebung, also direkt auf twitter.com. wenn sie gedanken, motive, techniken aufnehmen, die wir in der 1. aufgabe als interessante herausgefunden haben, freut es uns. oder es geht in eine ganz andere, unvorhergesehene richtung wie so oft auf twitter. konkret funktioniert das folgendermaßen:

  • der account @sfdklasse ist der twitter account für die klasse. er wird vom klassenleiter martin fritz betreut.
  • jede*r klassenteilnehmer*in bringt einen eigenen twitter account für die teilnahme an der klasse mit (ob dafür ein bestehender oder neuer account verwendet wird, ist allen selbst überlassen).
  • um einen beitrag zu verfassen schreibt ein*e teilnehmer*in einen tweet und referenziert den klassenaccount mit "@sfdklasse".
  • martin fritz wird für jeden tweet mit "@sfdklasse" von twitter benachrichtigt und retweetet diese beiträge. dadurch erscheinen sie im twitter stream der klasse.
    das review des beitrags schreibt der klassenleiter als antwort auf den tweet.
  • beiträge können von anderen geliked, kommentiert und selbst retweetet werden.
  • wir behalten uns vor, spam- oder troll-beiträge nicht zu retweeten.

 

laufzeit von 4. november bis 16. dezember 2019.
teilnahme kostenfrei.

 

diese klasse wird geleitet von:

martin fritz
*1982. studium der vergleichenden literaturwissenschaft und deutschen philologie in innsbruck, dissertierte zu systemtheorie,
popkultur und web 2.0.
zahlreiche veröffentlichungen in anthologien, schreibt u.a. für fm4 & the gap, auftritte bei poetry slams; vielfache auszeichnungen, stipendien und preise (2009 literaturpreis wortlaut von fm4, 2010 rauriser förderungspreis, 2018 literaturpreis der universität innsbruck). war mitglied der 1. innsbrucker lesebühne “text ohne reiter”, ist teil der innsbrucker lesebühne “FHK5K”. einzelpublikation: intrinsische süßigkeit (lyrik, bergerverlag 2013).
https://sfd.at/lehren-und-lernen/faculty/martin-fritz