wider das glatte

beitrag von: micaleitner

Operation Auge läuft

Das Auge rollt.
Von links nach rechts in der Augenhöhle.
Im Kreis herum.
Der Augenball.  

Die Iris schaut.
Linst aus dem Aug heraus. 
Im Brennpunkt das Wesentliche.
Messerscharf, ohne Skalpell.  

Fröhlich lachende Augenfältchen.
Krähenfüsschen.
Kleine Vogelkrallen, die sich verzweigen.
Nicht schön, sagen die Anderen.  

Die Angst um die Fältchen.
Wird zur Angst vor den Fältchen.
Kosmetischer Blick.
Hermetischer Blick.  

Augen Blink Blink.
Im Augenblick.
Ausgeblendet.
Angst vor den Fältchen.  

Jeder sieht sie.
Die Linse haftet auf dem Makel.
Ohne Make-up.
Ungeschminkt.  

Make-up Makel.
Ungeschminkte Wahrheit.
Nackt und schutzlos ausgeliefert.
Das Augen-merk gerichtet.  

Auf den Falten Po.
Den alten Po.
Den Falten Busen.
Den alten Busen.  

Wen interessierts?
Falt Falt Falten.
Himmel und Hölle.
Klapps auf, klapps zu.  

Die Augen, die äugen.
Die Äuglein.
Sie falten sich auf und zu.
Haut im Überhang.  

So viel schon gesehen.
Linsen, die hafteten hart.
Harte Linsen auf harten Bildern.
Verhärtet.  

Schlag zu, schlag zu, schlag zu!
Schlag zu, die Äuglein.
Die faltigen Äuglein.
Sie arbeiten noch.  

An inneren Bildern.
Die sie nie vergessen haben.
Make-up hilft nicht.
Hilft nicht zu vergessen.  

Keine Kosmetik.
Keine Kosmetik hilft zu vergessen.
Geschichte darf nicht überkleistert werden.
Die Fugen nicht versiegelt.   

Zwischen den Fältchen.
Lagert sich Geschichte ab.
Geschichte Lager.
Schichten Lager.  

Lager Geschichten.
Die Augen haben alles gespeichert.
Im Augen Lager.
Im Augen Blick.


review von: fritz ostermayer

das gesicht verfugen, damit es wieder zur verfügung stehen kann - fällt mir dazu spontan ein. und ich denke mir, dass sich eine solche kritk an der "uneigentlichkeit" doch schon überholt hat. das "authentische" ist längst bei den pfaffen und anderen predigern des "natürlichen" gelandet.

am ende dieser kleinen gedichtbaustelle stehe ich gern auf der seite des künstlichen, gemachten, uneigentlichen und ambivalenten. früher nannte man das camp, noch früher dandyismus. beiden fühle ich mich bis heute verbunden, weil sie das spiel mit den zeichen ernster nehmen als jene, die den zeichen mit erhobenem zeigefinger kommen.

will sagen: ein geiles amoralisches gedicht wird mich immer mehr berühren als ein ungeil moralisches, ein politisch verzagtes mehr als ein politisch strammes, ein beseelt ratloses mehr als ein unbeseelt wissendes, ein innig schlechtes mehr als ein lieblos perfektes. wenn sich aber herz und hirn in einer moebiusschleife emphatisch auf ein packl hauen, dann möcht ich bei dieser hochzeit dabei sein und mitfeiern bis dass der morgen graut!

mille grazie allen poetinnen und poeten!

und auf, auf zu neuen schandtaten!

herzlichst,

fritz ostermayer