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jammern auf hohem niveau

beitrag von: spud

West-Östlicher Jammer-Divan

Das Jammern ist ein Betriebsgeräusch der Schwermut. So wie das Winseln und Stöhnen ist es unmittelbarer Gefühlsausdruck und damit nahe den vegetativen Lebensäußerungen des Menschen. Aber nicht überall begnügt man sich mit solch niedrigem Niveau des Jammerns. Je weiter weg man sich von Deutschland, dem Zentrum vegetativer Jammerei, nach Osten bewegt, umso eindrücklicher steigert es sich zur Kulturleistung. Schon die Differenz zwischen deutschem und österreichischem Jammern bestätigt diesen Sachverhalt: Äußert sich deutsches Jammern als unförmige, zähe Klagemasse, so bekommt es in Österreich durch die passiv-aggressive Praxis des Raunzens Schärfe und oft auch einen Dreh ins Allgemeingültige. 

Weiter östlich, in den slawischen Ländern und jenen des Orients, steigert sich diese Schärfe: Das Jammern nähert sich der Verwünschung, ja verbindet sich mit ihr und wendet sich ins Aktive. Zugleich werden all seine passiven, wehleidigen Gefühlsingredienzien ausgeschieden, um von Klageweibern berufsmäßig entsorgt zu werden. So kann das Jammern unbeschwert seiner Ursache an die Gurgel gehen.

Noch weiter im Osten orientiert sich die Jammer-Energie ins Innere der Menschen und kristallisiert zu ihrer entschlossensten Manifestation: Die Verbindung von japanischem Seppuko und Abschiedshaiku ist Ultima Ratio der Jammerei. Hier erleben wir das Jammern auf seinem höchstem Niveau. Mehr geht nicht.

review von: christiane rösinger

Es war zwar ein gedicht oder ein songtext gewünscht, aber diese kleine Abhandlung zum Jammern gefällt mir sehr gut. Sie ist lehrreich und witzig- auch wenn wir deutschen wieder ein bisschen schlecht dabei wegkommen. Ich möchte da noch hinzufügen, dass es auch im deutschen regionale Unterschiede gibt - von wegen "unförmig zähe klagemasse. Im Süden also im äußersten Südweste im badischen zum Beispiel, sind die Leute von Grund auf schwermütig, da wird ganz anders gejammert als im protestantischen Norden. Im Süden ist das Jammern schon auch vegetativ, aber mit einem rebellischen Impetus. Denn bevor man was verändern kann, muss man ja erst mal das beklagenwerte der lage erkennen und Ausdruck verleihen. Aber die Wendung ins allgemeingültige schafft schon der österreichische Jammer am BEsten. Hut ab. Ich hab an dieser abhandlung gar nix auszusetzen - sehr gut- Möchte nur einen kleinen Gedanken dazu geben: Dass, egal wo man ist, das Jammern das eigentliche Zuhause ist.

joseph holzknecht sagt
25.11.2017 12:52
wenn jeder doch ein indevideum ist dann kann es keine pauschalierung geben. zudem sind wir kräftig durchmischt.. es gibt kein so sind die..
joi
joseph holzknecht sagt
25.11.2017 12:55
die zu uns füchdenden aus der sogenannten dritten welt können uns da helfen. gott schütze sie...
joi
texte wien test sagt
29.11.2017 11:07
Liebe Christiane Rösinger, zunächst besten Dank für die freundliche Zustimmung sowie Ihre ergänzenden Anmerkungen. Dass das Deutsche Jammern im Beitrag etwas boshaft behandelt worden ist, könnte stimmen. Deutsches Jammern ist natürlich hervorragender Leistungen fähig (wenn die Bemerkung gestattet ist: Nicht zuletzt Ihr sehr geschätztes Werk zeigt, welch geschmeidige Formen Deutsches Jammern hervorbringen kann!).
Besten Dank auch für die sehr treffende Bemerkung über das Jammern als eigentliches Zuhause. Mit diesem traurigen aber gleichzeitig tröstenden Gedanken ist die ganze Metaphysik des Jammerns auf den Punkt gebracht!
Herzlich, Spud