beitrag von: Brutalisator
Jammeraxiome
Jammern ist, sich in anderen Leuten Leid zu tun
Es ist selten in der Natur
Wir teilen es uns mit den Hauskatzen, denen wir es wohl erst beigebracht haben
Das Biotop des Jammerns ist das Haus
Wer jammert, schaut auf andere
Gelungenem Jammern geht vorsichtige Eichung voraus - nicht zu viel, und sicher nicht zu wenig Jammer
Jammern ist auch eine Kunstform
Hinter Masken lässt sich nur schwer Jammern, außer, man steckt hinter einer Jammermaske
Vor sich überjammern erholt man sich durch Jammerabstinenz - es muss auch anders gehen, sonst ist es kein Jammern
Jeder Mensch hat bei anderen Menschen ein Jammerkonto
Ein in anderen Leuten angelegter Schutz vor etwas
Einen Grund hat gelungenes wie missratenes Jammern gleichermaßen - von Nichts kommt Nichts
Jammern ist, das Eigentliche auszureizen, eine Befindlichkeit nahestmöglich an eine bestimmte Grenze zu befördern
Jammern hat ein Ziel, an dem ist es warm und kuschelig
Jammern ist abkürzen
Unglaubwürdiges Jammern wird erst belohnt, wenn ohnehin alle jammern - dann wirkt es wie zierendes Federkleid
Jammern ist also verhandelbar und wandelbar
Jammern fühlt sich nicht an
Jammer ist Glaubenssache
Jammern ist wie... ein Hauch von Leid
Alle, die jammern, verhalten sich wie Leidende
Jammer ist für den Erfahrer leidvoll
Glauben andere Leid nicht, wirkt es ihnen wie Gejammer
Durch Jammern wird Leid überhaupt erst verhandelbar
Je Jammer, desto Leid
review von: christiane rösinger
Sehr interessante Gedanken zum Jammern. Wird in der Natur wirklich so wenig gejammert? Vielleicht jammern ja die Spatzen, wenn sie von den Dächern pfeifen, die Kuh jammert im Stall, die Blumen lassen jammernd die Köpfe hängen, wenn sie Durst haben. Sind Katzen nicht zu stolz zum Jammern? Ach das Jammerkonto- so oft hat man es bei den Freunden überzogen. Ist knietief im dispo gelandet. Mir fehlt bei den interessanten Gedanken ein bissel die Form. Ich fände das Gedicht zwingender und klarer, wenn die Gedanken und Axiome etwas geordneter daher kämen. So ist es eher die Niederschrift eines Gedankenflusses.