#sfd-twitter-onlineklasse

beitrag von: BohemeSchreiberin

sportschaupoetologie

recherche

ich geb's ja zu, ich hätte lieber einen hashtag beigetragen, nämlich #dichterdran...
aber so habe ich wenigstens ein bisschen recherchiert. auf den geschmack der twitter-literatur kam ich 2011 durch einen zeit-artikel ("die sonderzeichen des jungen werther", https://www.zeit.de/kultur/literatur/2011-02/twitteratur), aber da war ich noch lange nicht selbst bei twitter. seit einigen jahren twittere ich vor allem rund um das lernen mit medien herum. ich folge einigen wenigen autorInnen (z.b. @SibylleBerg), aber die meisten nutzen ihren twitter-account für wortspenden rund ums literarische leben und werken und/oder für alltagskommentare. das ist auch nicht schlecht, passt aber auch nicht zu unserer aufgabenstellung.
nach ein paar rechercheversuchen suchte ich auf twitter nach "goethe" - nicht wirklich in der hoffnung, so ans ziel zu kommen. aber da prangte das tolle fundstück in meinen rechercheergebnissen: @sportschau twittert am 31. oktober 2019 über den (ex-)bayern-trainer Niko Kovac:
""
Goethe,
Schiller,
Heine,
Kovac.
""
dazu gibt es ein bild mit einem zitat von kovac, das ich nicht so poet-isch finde wie die @sportschau. für mich ist die @sportschau selbst die poetin: es wird eine reihe (hier von dichter-namen) eröffnet, die dann durch den überraschenden schluss zum literarischen artefakt wird. jedenfalls sehe ich das so.

review von: martin fritz

nicht alle haben sich so an die regeln gehalten, ein hashtag wurde ja bereits eingereicht: https://sfd.at/programm/2019/twitterklasse/alle-beitraege/6 - naturgemäß bin ich für kreative regelübertretungen stets offen, also hätte ich auch #dichterdran gern genommen. #dichterdran ist ja auch insofern interessant, als dass der hashtag ja eigentlich aus dem gespräch und diskurs über literatur (auch in interessantes feld für sich, das wir uns hier noch näher anschauen könnten) entstanden ist bzw. die damit getaggten tweets eher diesem zuzuordnen sind, sich dabei aber natürlich immer die frage stellen lässt: sind die #dichterdran-beschreibungen selbst schon literatur? ich persönlich würde das für viele der tweets bejahen, kann mir aber auch andere meinungen dazu gut vorstellen.

danke auch für den hinweis auf "weltliteratur in 140 zeichen" und zu autor*innen-accounts wie dem von sibylle berg, das thema hatten wir schon hier: https://sfd.at/programm/2019/twitterklasse/alle-beitraege/3 (dass das so gar nicht zu unserer themenstellung passt, finde ich gar nicht: wäre immer noch interessant sich anzuschauen, ob und/oder wie sich bei den verschiedenen autor*innen bei ihren wortspenden zum literarischen leben und alltagsnotizen doch literarizität einschleicht)

aber nun endlich zur eigentlichen einreichung: ich finde das vorgehen, nach "goethe" zu suchen gerade in seiner unoriginalität ausgesprochen originell und es hat ja auch zu einem schönen ergebnis geführt. zunächst dazu, ob das zitat von niko kovač (ein bisschen ärgerlich finde ich übrigens, dass sie niko kovač zum kovac gemacht haben, aber das nur nebenbei) nicht doch auch literarisch rezipiert werden könnte:

die einfachheit, das
ist die schwierigkeit,
und darin liegt auch
die schönheit

ist das lyrik? oder ist es zumindest eine art lyrischer nukleus, aus dem ein gedicht werden könnte? könnte der eigentlich ja sehr folgerichtige und nachvollziehbare gedanke durch anders gesetzte zeilenumbrüche verfremdet werden? wird so ein gedicht daraus?

die einfachheit das
ist die schwierigkeit und
darin liegt auch die
schönheit

ich denke, es könnte zumindest ausgangsmaterial für weitere spiele damit sein (generell habe ich einen sweet spot für tiefere fußball-weisheiten, allen voran lukas podolskis einsicht, es überwiege eigentlich beides).

interessant ist auch der tweet der sportschau: ich stimme zu, dass mit der reihe der dichternamen und dem überraschenden schluss ein (zumindest proto-)literarisches bauprinzip gefunden wurde und zwar eines, das sehr gut für andere tweets mit anderen namen gefüllt werden kann und ich kann mir denken, dass das als reihe dann auch sehr gut funktioniert, weil immer neue überraschende dichter*innen dazukommen müssten (samt deren implizit dann mitschwingenden "dichtungen") und so die anforderung an den überraschungswert sich immer steigern würde.

bezeichnend ist ja, dass der sportschau goethe, schiller und heine einfallen bzw. sie ihrem klientel diese namen zu verstehen zutrauen (und nicht etwa bettina von arnim, toni morrison und elfriede jelinek). mich hat die aufzählung ja sofort erinnert an peter handkes "ich komme von tolstoi, ich komme von homer, ich komme von cervantes", das ja ebenfalls eine reihe von sehr schönen reaktionen auf twitter hervorgerufen hat - leider ohne einen einheitlichen hashtag bzw. kenne ich einen solchen zumindest nicht.

jedenfalls vielen dank und gratulation zur bestandenen ersten aufgabe, ich bin schon gespannt auf die beiräge auf twitter!