beitrag von: BohemeSchreiberin
#dichterdran und CrowdSourcingTwitteratur
recherche
ich bin dem kommentar des klassenleiters (danke für tolle, humorvolle, hilfreiche und zugleich charmante feedbacks an Martin Fritz!) zu https://sfd.at/programm/2019/twitterklasse/alle-beitraege/7 gefolgt und habe in #dichterdran recherchiert. so fand ich heraus, dass au den tweets zum hashtag bereits ein buch gemacht wurde: "Hemingways sexy Beine" (vgl. tweet oben, aber auch z.B. https://www.deutschlandfunk.de/twitter-aktion-dichterdran-der-geist-ist-maennlich-der.807.de.html?dram:article_id=460107)
Ein buch macht zwar noch lange keine #twitteratur, ein zitat aus dem o.a. deutschlandfunk hätte aber durchaus etwas zu bieten:
Zitat:
",Ich finde, man darf Aktionen, die besonders gelungen sind, auch mal ein bisschen konservieren. Das ist für mich wie ausgestopfte Tiere', ergänzte Mitherausgeberin Güzim [sic] Kar." (Güzin Kar https://twitter.com/guzinkar?lang=en ist u.a. drehbuchautorin)
Dass "ausgestopfte tiere" "ein bisschen" konserviert sind, lädt zu kreativen spekulationen ein - auch in hinblick auf das #dichterdran-buch. was nur ein bisschen konverviert ist, ist nicht haltbar. wurde dieses buch auf säurehaltigem papier gedruckt? Ist die aussage selbstironisch? wäre ein tweet dieses inhalts und dieser textierung #twitteratur?
Was mir auffällt ist die Copy&Paste-AutorInnenschaft. Für das gegenständliche werk (https://keinundaber.ch/de/literary-work/hemingways-sexy-beine/) werden Simone Meier, Güzin Kar, Nadia Brügger nicht als _Herausgeberinnen_ bezeichnet, sondern wie UrheberInnen angegeben. dies ist zwar nicht ganz falsch, da sie den hashtag #dichterdran ins leben gerufen - und mit ihren beiträgen gewiss am leben gehalten haben. ob und wie die anderen autorInnen genannt werden, kann nur ein blick ins buch zeigen. ich habe es noch nicht angesehen und kenne nur die ankündigungen. Ich frage mich, ob alle abgedruckten #dichterdran-beiträgerInnen froh sind via crowdsourcing zu einer printpublikation beigetragen zu haben...
review von: martin fritz
danke für das lob! und danke für den hinweis auf das #dichterdran-buch sowie den deutschlandradio-beitrag darüber. es ist ja ein interessantes phänomen, dass als literatur (oder so etwas ähnliches) auf twitter identifiziertes dann (immer noch) häufig in buchform erneut publiziert wird. da ließen sich dann auch sicher weitere beispiele finden, bei denen dann interessant anzuschauen wäre, was dabei und damit jeweils gewonnen ist/wird und was verloren geht. spannend sind solche transformationen und rekontextualisierungen sicher auch die richtung.
dazu passt auch ein tweet @PGexplaining, den ich heute schon retweetet habe: https://twitter.com/sfdklasse/status/1194548341868285953 - ich würde der kritik darin absolut zustimmen, dass die von historischen gründen herrührende wertung des buch (und da nochmal insbesondere des romans) als das eigentliche und wichtige und richtige der literatur sich zwar eigentlich überlebt hat, aber eben noch weiterwirkt (mit allen mehr oder weniger produktiven missverständnissen, die aus so einer situation entstehen). ironischerweise sind einige tweets von @PGexplaining ja auch im sonst auf ebooks spezialisierten frohmann-verlag als (übrigens sehr empfehlenswertes!) printbuch erschienen...
und dazu passt auch die aussage der mitherausgeberin mit den ausgestopften tieren, das finde ich auch wirklich ein tolles fundstück (hatten wir ja schon häufiger hier, dass poesie(-bausteine) ge- statt erfunden werden). ich würde es ja noch drastischer sehen: ausgestopfte tiere sind ungefähr das gegenteil von konservieren, denn was tiere ausmacht, ist ja wohl vor allem, dass sie lebendig sind und um sie auszustopfen, muss sie zuerst jemand töten. allgemeiner gesehen ist vielleicht überhaupt konservieren das gegenteil von tieren, von lebendig sein. und so gesehen könnte auch gefragt werden, ob das konservieren (oder der versuch davon) von tweets (außerhalb ihres natürlichen lebensraums) ihnen vielleicht eigentlich entgegenläuft? oder ist so etwas zu assoziativ gedacht? text, der solche frage aufwirft, ist meiner meinung nach jedenfalls literarizität zuzusprechen. der beweis darüber, ob das getwittert twitteratur wird, wäre am besten direkt vor ort zu erbringen - ich denke jedenfalls schon darüber nach, welche abbildung von tieren das wäre, wenn es tweet wäre...
ps: zu der beobachtung am schluss: ich hoffe doch sehr, dass die urheber*innen der tweets darin um ihr einverständnis gebeten und im buch namentlich genannt wurden.
BTW: eine halbgeglückte metapher zu ausgestopften tieren durch ein tierbild zu illustrieren/symbolisieren wäre eine tolle kombinatorische und künstlerische leistung!