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geheimnachrichten an h.c. artmann

beitrag von: johanniko

HBHC

mein gott bin ich froh
heut hast du geburtstag
alle silben stehn blank geputzt
alle minuskeln schwingen ober- und unterlängen
happy h. c.
lang leb your schnee
auf heißem brotwecken
und tintenschwarzem kaffee

review von: ondřej cikán

Sehr schön das leicht abgewandelte Zitat übers Versende hinweg: „schnee / auf heißem brotwecken“! Sehr schön der Reim „h.c.“ – „schnee“ – „kaffee“. Sehr schön der farbliche Kontrast „schnee“ – „tintenschwarzer kaffee“. Sehr schön überhaupt. Sogar das „your“ passt hier. 
Besonders schön ist der erste Vers:

„mein gott bin ich froh“
(sc. heut geht die Sonne auf wie jeden Tag – danke, für diesen schönen Morgen –
aber zugleich geht die Sonne endlich wieder nach 100 Jahren auf)

Super die „ober- und unterlängen“ der minuskeln! 
Übrigens: Bis ins späte 19. Jh. war die Großschreibung der Nomina im Deutschen noch gar nicht in Stein gemeißelt. Artmann orientiert sich bei seiner Minuskelschreibung einerseits an seinen alten Vorlagen (z.B. Isländische Abenteuer von Hugo Gering, 1882/3). Andererseits hat die Kleinschreibung das Deutsche bis zu einem gewissen Grad mit den „poetisch weiter entwickelten“ Sprachen der ersten Hälfte des 20. Jh. kompatibler gemacht. Auf Französisch oder Tschechisch konnte man Gedichte ohne Satzzeichen schreiben und z.B. innerhalb eines Verses einen neuen Satz mit Majuskel beginnen o.ä. usf. Die vielen Majuskeln streben im Deutschen auch allzu sehr in den Himmel, möchte man meinen … Naja, heute ist die majuskellose Rechtschreibung zu einer Art Lyrikermode verkommen, und das ist wohl schade …

Vielen Dank!

Alles Liebe,
OC.