beitrag von: Lydula
wunschkonzert
alles gute, sagt man. und:
ich wünsche dir alles, was du mir auch wünschen würdest.
ja, was denn nun?
wünsche I
ich wünsche mir
1 hut 1 stock 1 regenschirm
drei wünsche hab ich frei, sagt die fee. die wollen sorgsam formuliert sein. der vertrag steht immer kleingedruckt und willst du zu viel verlierst du alles. bleib bescheiden.
wenn aber 1 sternschnuppe fällt oder wenn ich 100 geburtstagskerzen auspuste gibt's nur einen, einen einzigen, und den darf ich nicht verraten.
wünsche II
ich wünsche dir
viel glück und viele sägen
gesundheit muss immer mit dabei sein. mit wünschen kann ich dich gefahrlos überhäufen. sie sind ein sehr preiswertes geschenk. der segen ist sozusagen ein wunsch mit nachdruck und ähnelt dem befehl. intrinsisch ist ihm die möglichkeit - auch die, zu scheitern.
möge die macht mit dir sein. ruhe in frieden.
zaubersprüche
guten morgen
gute nacht
gute reise
geh mit gott
alles gute
bleib gesund
meinen glückwunsch
wünsch mir glück
review von: ondřej cikán
Sehr berührendes Konzert an Wünschen ist das geworden! Gratuliere!
Es ist sehr schön, wie sich große Dinge (segen) mit scheinbaren Kleinigkeiten (hut, stock etc.) abwechseln. Das verleiht den kleinen Dingen Zauberkraft! Besonders süß finde ich „viele sägen“! Und einem Verstorbenen „gesundheit“ zu wünschen, weil sie „immer mit dabei sein“ muss, ist auch sehr süß und rührend – weil es paradox ist!
Wunderschön finde ich die Reihe der „zaubersprüche“ („guten morgen“ usf.). Solche Zaubersprüche sind geradezu die Pointe von Vítězslav Nezvals Gedicht „Edison“, das ich gerade übersetzt habe. Es ist ewig lang und baut sich wunderbar auf. Die letzten Verse lauten:
Unsre Leben sind wie Nacht und Tag und Schaum
Wiedersehn ihr Vögel Sterne Münder Frauen
Wiedersehn o Tod im Weißdorn-Blütenschnee
Wiedersehn adieu auf Wiedersehn adieu
gute Nacht und guten Tag auf Wiederschaun
gute Nacht
süßen Traum
(erscheint im September)
Vgl. auch das Ende von Guillaume Apollinaires „Zone“ (eine neue Übers. erscheint als Anhang im Nezval-Band im September)
Und in meinem eigenen ewig langen Gedicht „Tote Sprache“ hab ich das ein bisschen nachgemacht, die letzten zwei Verse lauten da:
Das sind meine Flügel, halt dich fest.
Bist du fröhlich, bist du glücklich, bist du da?
Ja! Vermiss mich nicht, leb wohl, baba …
(erscheint in ein paar Tagen)
Sorry, dass ich da diese eigenen Sachen zitiere, ich wollte mich nicht aufspielen, sondern nur zeigen, dass ich diese Alltagszaubersprüche wie Glückwünsche und Grußworte für wunderschön halte – und deren poetische Kraft wahrscheinlich ähnlich einschätze wie Sie!
***
Vorschläge:
1) Meistens setzen Sie die Beistriche den Regeln entsprechend. Dann sollte z.B. der Satz: „der vertrag steht immer kleingedruckt und willst du zu viel verlierst du alles.“ wohl auch noch zwei Beistriche abbekommen. Da und dort fehlen auch Punkte. Ich würde die Satzzeichensetzung nach welcher „Regel“ auch immer vereinheitlichen, damit man sich beim Lesen nicht mit Nebensächlichkeiten befasst (wie z.B. mit der Frage: Warum ist hier kein Beistrich?).
2) Unter „wünsche I“ formulieren Sie sehr knapp, verwenden „1“ statt „ein“ oder „eine“. Unter „wünsche II“ werden die Formulierungen etwas weniger prägnant. Vielleicht könnte man das eine oder andere „sozusagen“, „sehr“ o.ä. tilgen.
3) An zwei Wörtern bin ich etwas hängen geblieben: der vertrag „steht“ (statt „ist“) und „intrinsisch“ (statt z.B. „immanent“ oder „eigen“). Sowohl „der vertrag steht“ als auch „intrinsisch“ könnte man vielleicht ändern: Beides klingt zwar außergewöhnlich, aber beides scheint mir den Lesefluss zu stören.
Möge die Macht und die Muse mit Ihnen sein!
OC.