beitrag von: jumatri
Systemerhaltersong
Ich schrubbe mir die Finger wund
und schütze meinen weichen Mund
um nur nicht lauthals loszuschrein:
Ich möcht nicht mehr die Heldin sein.
Ich würde so gerne liegen bleiben
und mir ganz leis die Hände reiben
weil ich mit einem Stoß Papier
drauf wette wer demnächst krepiert.
Der Geier soll sich auf dich stürzen
mit reichlich Salz es dir verwürzen
du Arsch der mir den Lohn nicht gönnt,
der mich mit meiner Last versöhnt.
Ich sitz nicht cool in meinem Office,
ich schlicht Regale bis es voll ist,
ich schlepp Pakete, schrubbe Dreck
derweil du dich im Home versteckst.
Und wenn er kommt, steh ich hab acht,
denn ich, ich hab nicht dicht gemacht,
ich hab gedient für dich zur Freude
ich kotz gleich meine Eingeweide.
Zahl mir den Lohn den ich verdiene
dann mach ich wieder gute Miene
zum bösen Spiel der Pandemie
Systemerhalter - schätze sie.
review von: andreas spechtl
ein lied über zustände die eine frechheit sind. und zwar schon lange. lange vor der pandemie. insofern kann ich dem text inhaltlich voll zustimmen. ich persönlich tu mir aber immer sehr schwer mit ganz klaren tagespolitischen themen in songtexten, oder vielleicht kunstwerken generell. ich würde ja immer versuchen etwas das mich bewegt, interessiert, dazu anstößt einen text zu schreiben, als etwas zu sehen das ich nur als ausgangspunkt verwende, etwas das ich aus der zeit löse, aus dem unmittelbaren zusammenhang und dadurch vielleicht etwas allgemein gültigeres daraus ziehen kann. etwas das die aktuelle situation überdauert und so potenziell auch über der zeit steht.
wenn man textlich zu nah an die konkrete (tages)politik geht, wartet da immer schon die empörung und moral auf einem. und davor hab ich ein bisschen angst in lyrischen texten. es geht oft nur um ganz kleine satzkonstruktionen, das umstellen von ein paar wörtern, ich kann damit stunden verbringen. weil genauso wenig wie mich pure ästhetik interessiert, interessiert mich das rein weltliche, aus der welt heraus erzählte. weder sollte für mich form function folgen, noch umgekehrt. in einer absurden verschränkung würde ich mir wünschen dass sie sich gegenseitig in neue inhaltliche und formale zusammenhänge schrauben. das wäre für mich dann die utopie die im akt des schreibens selbst liegt.
aber das sind 2 total unterschiedliche ansätze. und auch eine frage des geschmacks.
es gibt natürlich auch ganz viele klassische protest und worker songs, die genau durch diese aktualität und kronketheit ganz wichtig sind, für einzelne menschen, aber auch ganze bewegungen.
im zweifel also auf jeden fall lieber function vor form, als umgekehrt.