beitrag von: SilkeScheffel
Tauben zentral (eine notwendige Annäherung)
nähert man sich dem Zentrum
nähert man sich den Tauben
deren Arche längst die Stadt geworden
vielleicht sind sie gar gläubig
finden sich die größten Mengen
doch vor Kirchen Domen Kathedralen
oder sind es wir die glauben
und die Tauben führen uns
flattern instabile Schwärme
teilen sich wie Meere
vor den Füßen
flügelwildes Federspiel schlägt Wellen
bis hinauf an Rinnen
warten oben aufgefädelt
Ziegel ätzend
auf die Herrschaft
und die Nacht
die mutig schwarz nach ihnen greift
dann sind sie fort für den Moment
sind lautlos über uns versickert
in den Klüften und den Spalten
bis zum nächsten Lichtbeginn
wenn sie sich frisch gemehrt
von oben ins Quartier ergießen
überfluten uns mit schierer Masse
bis wir Hälse über Tauben recken
um noch etwas Stadt zu sehen
review von: martin fritz
ich mag sehr, wie der text herausarbeitet, dass tauben ganz entschieden zu den tieren gehören, die es nur im plural gibt. ebenfalls (und hiermit widerspreche ich mir selbst, wenn ich mir bei anderen texten eine deutlichere wertung gewünscht habe) mag ich, wie (mangels einer besseren bezeichnung sage ich jetzt mal) ausgewogen sich hier den tauben genähert wird, die doch sonst in vielen tieren, die menschen sind, sehr starke (positive oder negative) emotionen hervorrufen. die mutmaßungen bzw. beobachtungen über die gläubigkeit der tauben und wie sie den trick schaffen, via masse quasi zur flüssigkeit zu werden, das ist, denke ich, schon recht genau das, wo wir hier mit der kritik der tiere hin sollen. um aber doch auch an einem detail herumzudenken: ich stocke bei der anapher am anfang ein wenig, zumal es die einzige im ganzen text ist. braucht der text die aus einem grund, den ich nicht sehe, oder würde die annäherung auch anders gehen?
wäre diese annäherung an die tauben ein anemonenfisch, wäre er ein weißband-anemonenfisch.