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kritik der tiere

beitrag von: trivialpoet

Mut zur Mücke / Versuch einer Lobpreisung

I.
Surrend Punkte
Wolkenflirr
Nebelwirr
tanzt auf Gräßerflamm heran
filigran 

zittert einen Vorhang 
vor das fallend Licht
der dann, 
wenn er aufgetan 
so sacht

den Weg 
eröffnet
in die 
Nacht

II.
zitternder Insektenflaum
lebend Wedel
wie ein wehend Sirrensaum
um die roten Abendstunden
fächelt Summen
müden Sommerwiesen
zu


III. epilog (naiv)
nervig sein und zu nichts nütze,
kinderstube in der pfütze?

vogelhunger sie betäuben
blütenfelder sie bestäuben

larven filtern trübe wasser 
aus
dem gebührt mit recht
applaus

review von: martin fritz

sie haben meinen wunsch nach dem lob der mücke gleich verwirklicht, wie schön! ich mag sehr, wie der titel schon eine falsche fährte in den text setzt (ich habe beim ersten lesen natürlich immer überall lücken erwartet), wie die reime tanzen wie eben mücken, und wie die noch eher allgemein abstrakten teile I und II und der eher diskursiv-argumentative teil III sich ergänzen. das ist sicher ein knackpunkt des textes, dass eben I und II einerseits und III andererseits so stark konstrastieren, was mit dem (ich lese es als fast sich selbst entschuldigen wollenden) "epilog (naiv)" auch gleich mitthematisiert wird. ich frage mich, ob es diese markierung überhaupt braucht, oder ob der text auch darauf vertrauen könnte, auch ohne diese meta-bemerkung zu tragen? eine andere frage wäre, ob gewissermaßen die austarierung zwischen den teilen schon fein genug ist, oder ob hier noch gefeilt werden könnte? und vermutlich ist es nur ein tippfehler, oder übersehe ich beim "Gräßerflamm" gerade etwas und es könnte auch "Gräserflamm" sein?

wäre der mut zur mücke ein anemonenfisch, wäre er ein malediven-anemonenfisch.
Michael Köhler sagt
26.04.2022 22:36
… ich muss gestehen, dass mit dem austarieren trifft ein wenig den wunden punkt. da wäre sicherlich noch etwas arbeit vonnöten. die heterogenität der beiden hauptpassagen lässt sich nur schwerlich auflösen. beim naiven modul ließ ich mich ein wenig vom plakativen korrumpieren, sorry.

- und „gräserflamm“, natürlich

vielen dank für die hinweise
martin fritz sagt
27.04.2022 09:46
sehr gern und es gibt nichts zu entschuldigen. und wie gesagt: ich seh das problem weniger in der heterogenität an sich als in der gewichtung der verschiedenen teile (meine intuition: es bräuchte noch einen teil vor dem epilog, dann würde der wirklich mehr wie eben ein epilog als draufgabe wirken wenn vorher schon ein dreiteiler war. aber so eine intuition kann natürlich auch täuschen).