beitrag von: BOA
Frettchen
Schön sei sie, hatte ihre große Schwester gesagt, aber sonst gab es niemanden, der ihre Narben, das weiße Haar, die helle Haut und die roten Augen anziehend fand. Nach dem Tod der Schwester kultivierte sie ihren Außenseiter-Status, machte sich zum Forschungsgegenstand ihres eigenen Lebens-Experiments. Die ablehnenden Blicke, denen sie sich nur im Finsteren aussetzte, übersetze sie in unterirdisch schöne Poesie. Sie schrieb unter einem Pseudonym – Klappentext mit falschem, aber hübschen Foto versehen. Einmal ritzte sie sich zu tief. Als ihr Verleger sie Tage später fand, hatte ihr Frettchen schon das Herz in ihrer Brust freigelegt. Es war wohl weniger als Kritik an ihren Texten zu verstehen als schlichtweg dem Hunger geschuldet.
review von: martin fritz
hier fällt es mir erstmals schwer, eine review zu schreiben - denn angesichts des inhalts, des tödlichen unfalls der hauptfigur, scheint es kleinlich und unpassend, sich im sinn des themas der klasse z.b. eine weniger mensch-zentrierte perspektive zu wünschen oder einen text, der mehr aus der sicht des (artikellosen - ein schönes detail!) frettchens erzählt. ein gutes bild finde ich die "ablehnenden Blicke, denen sie sich nur im Finsteren aussetzte", das erzeugt auf kleinem raum gleich eine hier passende widersprüchlichkeit, weil im finsteren die blicke ja wenig sehen. die ellipse "– Klappentext mit falschem, aber hübschen Foto versehen" ist vielleicht ein wenig verwirrend formuliert, denn das foto ist ja für gewöhnlich neben dem klappentext, nicht ein teil davon, wie es ist in der formulierung fast klingt. das ist nur detail, ich glaube aber, dass der text hier mit einer nur kleinen überarbeitung den leser*innen schon viel entgegen kommen kann (ich bin da beim ersten lesen gestockt).
wäre das frettchen ein anemonenfisch, es wär ein seychellen-anemonenfisch.