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kritik der tiere

beitrag von: samya

d e c k e n g ä s t e.

ein heller sommertag ist längst vorbei. 
die wiese blüht.
insekten feiern ihre feste.
geladen durch das wilde bunt.

dort sitze ich am rand und lausche.
die töne ein konzert der tausend.
ein wunder. stark.

ganz langsam kommt die nacht.
ich wechsle zwischen meine wände.
bedacht will ich sein.

da sitz ich nun.
will lesen. 
von ruhe keine spur.

ein surren. ein brummeln.
ein 'weissnichtwas'.
ganz seltsam. fremd.

woher? ich weiss es nicht.
am boden krabble ich.
öffne fenster. mach' sie wieder zu.
und öffne sie gleich wieder.

schön sind die laute.

und dann ein tier. 
ein zweites, drittes, viertes ...
es endet nicht.

immer wieder dasselbe.
durch das fenster kommen. 
verschwinden in die decke ober mir.

schnell steh' ich auf dem stuhl.
ich klopfe an die decke.
ein brummen erwidert.

und wieder.
durch das fenster kommen sie.
verschwinden in die decke ober mir.

es riecht.
süss. seltsam ungewohnt.
gestern war das nicht.

ich klopfe nochmal an die decke.
ein stück von ihr kommt über mich.
ein zweites. ein drittes.

das geräusch wird laut.
eine hundertschaft kommt auf mich zu.
ein regiment. ich fühle mich bedroht.

dann wird es still.
nur meine angst ist laut.

mit meiner hand ganz unbedacht 
greife ich in das deckenloch.
meine hand wühlt 
sich durch ein nest mit toten.
klebrig ist's und fremd.

ich räume und räume und räume.
längst ist ein grosser kübel voll.
ab und an sind da noch lebende.
benommen fliegen sie.
noch immer sind die fenster weit.

noch sind da lebende.
auf und davon machen sie sich.

review von: martin fritz

wie fein das hier auf so knappem raum und mir so einfachen mitteln austariert ist, wie die beziehung zwischen dem "ich" und den tieren mehrmals schwankt, kippt, von bewunderung, bedrohung, angst zu interesse, schließlich mitlied und vielen nuancen dazwischen, und wie das korrespondiert mit den orten und räumen, in denen ich und die übrigen tiere sich aufhalten, die sie bewohnen, einnehmen - das ist schon sehr gut gemacht. und das hatten wir ja schon angesichts mehrerer texte: dass nicht ausgesprochen wird, welche tiere hier in die decke eindringen, lässt den text nur gewinnen. es gibt zwei nur kleinigkeiten, die ich anders formulieren würde: "immer wieder dasselbe" stimmt ja irgendwie nicht, denn es ist ja nicht das selbe tier, sondern mehrere verschiedene von der selben art.und "verschwinden in die decke ober mir" würde ich eher formulieren als "verschwinden in die decke über mir".

wären die deckengäste ein anemonenfisch, wären sie barbers anemonenfisch.
Sofie Steinfest sagt
30.04.2022 17:07
mit sparsamen Mitteln ein solch stabiles Textgebäude, chapeau!
samya hamieda lind sagt
30.04.2022 20:34
merci.
samya hamieda lind sagt
30.04.2022 20:34
lieber martin fritz,
auch für dieses review danke ich von herzen und die inputs, die nehme ich noch so gerne. thx a lot. samya