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kritik der tiere

beitrag von: BOA

Caeliferans & Ensifera

früher haben wir ganze ernten gefressen. in schwärmen sind wir hergefallen über weizen und mais, gerste, hafer und reis. Einige von uns hatten sich sogar einen namen gemacht als achte plage der alten ägypter. man hat uns gehasst, wir waren berüchtigt und für so manche hungersnot der menschen verantwortlich. gut genährt waren wir, frei und wild. klein jeder einzelne von uns aber als gruppe mächtig. schön war unser leben, auch wenn wir weit reisen mussten, um satt zu werden. das herumgehopse hielt uns fit. 
heute leben wir in wohntürmen, silber-glänzend, drei-und viergeschossig, werden gehegt und gepflegt, und man serviert uns frühstück, zwischenmahlzeiten, mittag- und abendessen. figurschmeichelnd ist das zwar nicht, aber bequem, und je dicker wir werden, desto mehr freut sich der mensch. Keine ahnung, warum uns die auf einmal mögen. sogar schön warm haben wir es. nur gestern wurde es etwas kühler und heute ist es schon richtig kalt. aber das macht ja nichts, schlafen wir halt ein bisschen. morgen wird’s sicher wieder besser sein. 

(insekten, wie grillen und heuschrecken für müsliriegel und andere proteinhaltige nahrungsmittel werden industriell gezüchtet und vor „der ernte“ in eine art kälteschlaf versetzt, um tierleid und schmerzen möglichst auszuschließen)

review von: martin fritz

danke dafür, gewissermaßen die auflösung gleich mitzuliefern, zumal ich bei orthoptera so unbeschlagen bin, dass mir nicht einmal die namen im titel viel geholfen hätten. und mir war auch nicht bekannt, dass die inzwischen eigens gezüchtet werden als nahrung. also allein die geschichte selber ist schon so voller anknüpfungspunkte und reicht in so viele interessante felder hinein, dass ja das fast schon gereicht hätte. aber die (ich möchte fast sagen: inzwischen schon bewährte) form, die (abgesehen vom titel) nicht ausspricht, wer hier spricht, funktioniert hier für mich wirklich mustergültig; die umkehrung im kräfteverhältnis der heuschrecken-mensch-beziehung, die ja eben keine einfache ist, wird genau in der ambivalenz entwickelt, die sie vermutlich auch tatsächlich hat. den zweiten satz würd ich ebenfalls klein beginnen (vermutlich ein flüchtigkeitsfehler), sonst würde mir nur noch als ein details auffallen: "jeder einzelne von uns" - das könnte auch "jede einzelne von uns" sein, oder?

wären caeliferans & ensifera ein oktopuss, wären sie eine kalifornische großaugenkrake.
Alexandra Bolena sagt
02.05.2022 20:33
exactly - DIE heuschrecken und DIE grillen verlangen natürlich (genderunkonform, sondern rein grammatikalisch) "jede einzelne" - was für ein fauxpas ;-).. und die kleinschreibung im zweiten satz: ein unbeabsichtigter Fehler! Danke für dein feedback!
Alexandra Bolena sagt
02.05.2022 20:34
exactly - DIE heuschrecken und DIE grillen verlangen natürlich (genderunkonform, sondern rein grammatikalisch) "jede einzelne" - was für ein fauxpas ;-).. und die kleinschreibung im zweiten satz: ein unbeabsichtigter Fehler! Danke für dein feedback!
Sofie Steinfest sagt
04.05.2022 13:11
was für eine ungewohnt schöne Ansicht in diesen Text verpackt!