beitrag von: SofieMorin
schwärmen für s.
da ich dazu beauftragt bin
oder vielmehr mich selbst beauftragt habe
hier der versuch eines ausschwärmens:
weißt du, wir machen uns gemein mit viechern
längst sind es nicht mehr nur einzelne
all diese schwelende massenhaftigkeit
das versprechen von satter oppulenz
zum preis der einigung auf beutezüge
das allein schon anlass zu kritik
um freier sprechen zu können, duzen wir uns
unsicher, ob das gefällt, oder wir uns darin
schon sind wir inmitten eines zwiespalts
die eigenheiten, die zu besitzen wir glauben,
und zur orientierung allem rundum andichten
als ob ein ablasshandel mit dem naturgemäßen
kein tier ist vor uns sicher
aber es ist halt so, dass die menge einen takt vorgibt
wir wollten nie geringfügig sein
wollten nie teil von etwas unüberschaubarem sein
wissen nicht einmal, wie das hier zu nennen ist:
herde, schwarm, sippe, schule, horde, rudel?
vieles daran erinnert uns:
dicht an der hörschwelle stetes summen: insektenahnung
meerseitig tanggeruch in dem sich die brut verfängt
staubiger grund setzt vibrieren in die knochen fort: wiederkäuer nahend aus fremden zeiten
nacktes gewimmel von anverwandten in dichten gängen
nichts davon ist einwandfrei
doch wenn geschmeidigkeit keine frage des nachdrucks ist
dann weißt du, dass du teil von einem ganzen bist
in dem du aufgehst getrost
review von: martin fritz
das klingt schon fast wie ein vorläufiges resümee, eine meta-beschäftigung mit unser beschäftigung mit tieren hier. jedenfalls eine schöne weitere reflexion zu schwärmen und artverwandtem. und augenscheinlich war die "herde" im anderen schwarm-text doch auch zu etwas gut, wurde hier produktiv für einen weiteren text. sehr schön die aufzählung "herde, schwarm, sippe, schule, horde, rudel" - kollektivnamen für tiergruppen sind ja sowieso für sich schon was sehr schönes und mich faszinierendes, im englischen gibt es doch ja noch mehr. wer es noch nicht kennt, ich empfehle sehr diese liste von tiernamen: https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_animal_names (die spalte collective noun). zurück zum text: ich mag die konsequent durchgehaltene äußere form, mit den symmetrischen zeilenanzahlen der strophen, es gibt darin nur die eine, die halt um einiges länger ist als die übrigen: "staubiger grund setzt vibrieren in die knochen fort: wiederkäuer nahend aus fremden zeiten" inhaltlich und für sich sehr stimmig, aber die zeile sticht halt so sehr stark raus, und herausstechen ist nun nicht wirklich eine passende schwarm-eigenschaft. oder sollen wir an der stelle auch darüber nachdenken? ansonsten kann ich inhaltlich alles nachvollziehen und zustimmen, nur über das ende komme ich ins grübeln: "dann weißt du, dass du teil von einem ganzen bist / in dem du aufgehst getrost". also ich finde das vollkommen zutreffend und auch elegant formuliert, aber ich frage mich, ob es nicht weitergehen könnte. also aufgehen des einzelnen in einem größeren ist sicher ein teil des schwarms/tierkollektivs, aber "aufgehen" impliziert für mich mehr nur ein auflösen, als auch ein darauf folgendes neu-bilden vom etwas größerem, anderen, vielleicht besseren, wenn das sinn ergibt? natürlich lässt sich fragen, ob das etwas-neues-bilden für einen schwarm überhaupt zutreffend wäre, der ja doch mehr beziehung als substanz ist, und sowieso ist die frage, ob und wie das noch in diesen text hineinpassen könnte oder eben nicht könnte. ich halte das jedenfalls für sehr interessante fragen, die hier mal aufgemacht werden, und ich denke, dazu ließe sich noch ganz viel sagen und denken. (aja, und abteilung beistriche: "tanggeruch, in dem")
wäre schwärmen für s. ein oktopuss, wäre es eine kalifornische zweipunktkrake.