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sie hat gesagt, dass er gesagt hat, dass sie gesagt hätte ...

beitrag von: kathi

Meter

Der hat geschrien, wie üblich und wie am Spieß, mir hat das Herz geschlackert und meine Beine sind weich geworden, nicht aus lauter Liebe, nein. Ich hab nur gedacht, wenn ich das jetzt sage, was an Gedanken in meinem Kopf aufgetaucht ist, bleibt es nicht dabei, da käme noch mehr dazu. Was ich später nimmer rekapituliert bekäme. Das wär auch schade, er muss schließlich rund werden, der Satz. Den ich dann über ihn schreib, wenn er den Schnaps ausgetrunken hat, also weniger plärren muss. Ich brauche ihn als Stoff wie er seinen Alkohol, nur ich weiß das, er nicht. Liebe war gestern billiger, alles zieht an. Und da meine Hosen ihm nie eng genug waren, hab ich einfach noch mehr abgenommen. Soll er doch verschwinden, der Affe. Wobei, die haben ja emphatisch Möglichkeiten, davon ist bei ihm nix zu sehen. Da beginnt er noch mehr zu keifen, und mein Vorsatz geht perdü. Nix nobles dabei. 
Und er? Mit jedem Buchstaben bläht er sich mehr und mehr auf, füllt erst die Couch dann nach und nach das gesamte Zimmer, sein Körper dehnt sich wie ein Ballon aus, kriecht in alle Ecken, er atmet schwer und krächzt was vom Plafond, das ich nicht versteh.

Als ich gerade fertig wär, macht es plötzlich pzisch. Aus seinem Mund kommt die ganze heiße Luft in einem Karacho heraus dass meine Frisur davon fliegt und es stinkt wie Tod und Verderben. Mir wird schlecht, ich geh aus dem Zimmer und hab ihn nie wieder gesehen. Nur gelesen von ihm. Er macht jetzt in Krypto oder so.  

review von: ferdinand schmalz

Schönes Bild von jemanden, der so aufgebläht ist, dass sich sein Körper selbst aufblähen anfängt. Auch schön die Abhängigkeit der Erzählfigur von ihm als Sujet. Ein bissl hab ich mir die Frage gestellt. Was ist eigentlich die Erzählsituat? Wer wird hier angesprochen? Erzählt es der/die ErtzählerIn uns oder jemand auf der Bühne? Und was ist der Anlass dahinter? Versucht die Figur uns zu überzeugen, dass es auch wirklich so war? Lügt sie? Erzeugt sie im Erzählen diese Szene erst, ist es vielleicht eine Szene in einem Text und die Situation entspringt dem Gesprochenen erst? Vielleicht versucht die Erzählfigur auch zu überspielen, dass sie ihn zum platzen gebracht hat. Man glaubt es der Figur ja nicht wirklich dass so etwa passieren kann. Und trotzdem möchte man es glauben, dass zu aufgeblähte Leute einfach platzen können!
Kathi Peschta sagt
26.11.2022 05:57
Danke für die Fragen. Soll ich sie beantworten? Ich mach das mal:

Ich denke an eine Situation in diversen Umgebungen, Protagonisten austauschbar, vielleicht wie in einem Gehkonzert ganz viele verschiedene Orte, an denen unterschiedliche Schaupieler Szene aus Beziehungen mit Machgefälle spielen. Eine davon diese.
Angesprochen wird die Gesellschaft.
Ja auf einer Bühne, das ist so in meinem Kopf. Siehe oben.
Anlass waren die Aktionen 'gegen Gewalt gegen Frauen' - denen ich begegnet bin, dieser Tage, im Netz und auf Plakaten, Öffi-Anzeigen.
JA das freut mich, dass diese Frage auftaucht! Weil das ist oft der Punkt denke ich, dass den Frauen nicht geglaubt wird, oder es wird gesagt, sie übertreiben, oder so. Oder ja, die Situation entspringt ihr selbst, weil sie ihn provoziert hätte, alles schon gelesen.
Etwas ist geplatzt, zwei Leute leben weiter, es war wohl also nicht er, sondern ein Knoten, ein Licht das da aufging.
Ich glaub, die platzen eh regelmäßiger als man denkt. Halt nicht mit einem sehr lauten Knall, und leider manchmal schon mit einem lauten Rumms, dann ist es schlimm, für alle.