beitrag von: chzureich
aua
(TW: Selbstverletzung)
Ein Teeniezimmer. Auf einem Stuhl am chaotischen Schreibtisch zum Publikum hin sitzt mit eingezogenem Kopf ein dünnes Mädchen, verwaschen pinkes Haar wie ein Vorhang im Gesicht. Bis auf ein leichtes Zittern harrt es im Freeze. Nach einer kleinen Ewigkeit lässt das Mädchen den Kopf auf den Tisch knallen, hebt ihn wieder, lässt ihn noch mal knallen.
Dann strafft es Rücken, Schultern, Nacken. Rollt langsam einen Ärmel hoch. Lauter rote Linien quer über den Arm. Aus einem Stiftehalter zieht es einen Cutter, betrachtet ihn mit starrem Blick. Zitternde Hand führt die Klinge nah an die Haut. Das Gesicht kontrahiert. Die Klinge ritzt. Ein Schauer durchfährt den dünnen Körper. Ein frischer Streifen Rot am Arm. Das Mädchen atmet aus. Sitzt. Atmet. Rollt den Ärmel wieder runter.
Stimme aus dem Off (die/der Erziehungsberechtigte*r): Loulou-Schatz? Bio-Klassenarbeit morgen, ja?
Mädchen dreht den Kopf zu Tür: JaHA!
Es greift nach einem ungeordneten Stapel Papier, klaubt einzelne Blätter dazu, versucht alles zu bündeln.
Mädchen: Ah!
Es bringt die Hand an den Mund, saugt am Zeigefinger.
Stimme aus dem Off (alarmiert): Louisa?!
Mädchen (weinerlich): Hab mich geschnitten...
Die/der Erziehungsberechtigte*r stürzt ins Zimmer, Erste Hilfe Kasten in der einen, Gaze in der anderen Hand.
Mädchen streckt ihr/ihm den Zeigefinger entgegen.
Die/der Erziehungsberechtigte*r stutzt. Schaut ungläubig, schüttelt den Kopf. Dann fällt sie/er in sich zusammen.
Mädchen: Es tut halt weh...
review von: ferdinand schmalz
Ich finde das Thema extrem wichtig, weil es mir selber immer öfter Auffällt wieviele Leute man mit Narben sieht. Verschiedene Formen von Autoaggression sind glaub ich echt weit verbreitet unter Jugendlichen. So ein Thema in einem Kurzstück zu verhandeln ist echt nicht leicht, weil ich bei schwierigen Themen immer das Gefühl habe dass es so wichtig ist wie man in ein Thema hineinführt und wie man aus dem Thema wieder rausführt. Man will bei so etwas ja auch dem Publikum nicht etwas vorne hinklatschen und dann müssen sie damit klarkommen. Da sind bei so einem Mikrodrama natürlich was die Länge anlangt Grenzen gesetzt.
Das Eingangsbild finde ich stark, am stärksten vielleicht wie sie den Kopf auf die Tischplatte knallen lässt. Auch diese Eigenart der Kommunikation durch die Kinderzimmertür, also ein Rückzugsraum, wo aber von außen doch die Stimme der Eltern immer wieder eindringt. Damit könnte man vielleicht auch noch etwas spielen.
Die Pointe am Schluss macht alles ein bisschen klein. Durch das in sich zusammensinken der Mutter kriegt man zwar schon ein Gefühl davon dass da zumindest ein gewisses Verständnis da ist für die Situation der Tochter. Trotzdem find ich dass die Pointe, etwas verharmlosend wirkt. Ich finde ja schon, dass die beiden Arten von Schmerz, der eine den man sich kontrolliert selbst zufügt um einen anderen seelischen Schmerz auszulöschen, und der Schmerz der einen unverhofft zustößt, grundverschieden sind und deshalb natürlich andere Reaktionen auslösen.