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café gerstl

beitrag von: magnavirtus

bewußtseinsplätschern (im rüdigerhof)

allen ist alles bekannt
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alte kastanien
bedenkliche gespräche unter denselben
cappuccino gibt’s hier nicht
dafür –
es ist einfach leiwand –
faschierte laberln mit wos du wüst
geh schleich di sagt hier keiner
hier ist man gastmild als mensch
ist dahaamiger als dahaam
jö !
kaffee gibt’s auch und
liebe und hawerer und palavern
manchmal auch zores
niemals aber ist einem fad
o du
perle der hamburgerstraße
quelle lieblicher alltagslüsteleien
reiner widerspruch unter so vielen kaffeehäusern
sicherlich mein liebstes zu sein
tausend stunden
und ein paar mehr
vergnügt’ ich mich hier
wie ein vogerl
x-mal gepickt hab ich hier nach
yggdrasil – nach der gestundeten 
zeit
    

review von: judith nika pfeifer

was für eine hommage an eines auch meiner lieblingscafes. ja, das ist er, der rüdigerhof von a bis z. wie er ist und war und hoffentlich noch lange sein wird :) 
ich mag, wie die worte eine/n mitnehmen, wie man sich zeile um zeile länger im gastgarten sitzen sieht, gerahmt von den „alten kastanien“ und „der gestundeten zeit“ (wobei mir hier der bezug zu ingeborg bachmanns gedicht sehr unvermittelt erscheint). formal angelehnt an gerstls ausgangsgedicht geht‘s bisweilen auf kosten des akrostichons ein bisschen ins lapidare, beim „d“ z.b. dürfert‘s von meiner seite her gern a bisserl mehr sein, um als stilmittel eine sinneinheit zu bilden. die form hier auch mehr noch von inhalt getragen. ich behelf mir dann immer mit laut lesen, um zu schauen, ob da noch was dazukommt bzw. dazukommen will? evtl das „dafür“ wandeln? „dafia“? dafür schwebt die weltenesche dann doch etwas groß über den kastanien. schön die intermezzi – das kurze „jö“ und „o du“ – sehr erfrischend. merci dafür, macht vorfreude aufs sommerliche gastgarten sitzen und trinken.
Andrea Nagy sagt
13.04.2018 21:53
danke für die beobachtungen und anmerkungen - die „gestundete zeit“ als symbol von vanitas und vergänglichkeit folgte der anspielung auf rilke (o reiner widerspruch) ganz organisch nach; es schien mir dichtend im kaffeehaus der bezug zu den progonen naheliegend; ursprünglich sollte noch ein dritter bezugspunkt zu walther von der vogelweide gesetzt werden: „tûsentstunt wol“ anstelle von „tausend stunden“ - das nur ergänzend. Herzlich a.n.
Andrea Nagy sagt
24.04.2018 16:12
... eigentlich sind es ja ahornbäume im rüdigerhof, will ich noch nachtragen, aber die kunst ist ja zum glück auch in botanischer hinsicht frei ... denn anfühlen tun sie sich de baam durt doch wie kastanien ...