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café gerstl

beitrag von: FranziskaGlitza

Unter der Tischdecke

allen ist alles bekannt
von der Brust bis zum Tellerrand

- Wo kaufst du deine BHs?
- Ich kaufe die wenn überhaupt nur im Erfolg Outlet! Bin froh, 
dass ich einige Schöne hab von früher,
als ich fast gegenüber noch mehr verdiente.
- Bei Humpelmüller wird man sehr gut beraten,
denn ich weiß nie, welche Größe genau passt.
Die sagen dann: „Schauen Sie, so.“ 
- Probier mal das Outlet, die Sachen sind nicht muttihaft
und kosten nur ein Drittel.

Das ist Frauensolidarität.

- Du hast ja jetzt immer frei.
- Nein, ich schreibe im Café.

Das ist Kunstverständnis.

- Bist du ganz gesund, mein Kind?
- Klar. Ich trinke jetzt übrigens mehr Smoothies mit Obst und Gemüse.
- Hab gelesen, dass das schlecht sein soll. Ähem, warte…
ja, genau, man wird nicht satt von denen. 
Also wir essen einfach abwechslungsreich. 
Das ist das Gesündeste.
- Ich bin mir sicher, dass ihr das ganz toll macht;
und ich mache es auch ganz toll.
- Naja, du hast ja immer solche „Ideen“...
- Schönen Abend noch!


Das ist der Rand.
    

Café Fortuna, Haidhausen, Bayern

Unter der Tischdecke

review von: augusta laar

unter der tischdecke gibt es einen dialog von zwei lyrischen ichs. sind es zwei frauen oder ist es ein inneres zwiegespräch? das thema sind BHs, outlets, irgendwie frauenthemen. das bekannte steht neben dem unbekannten: „du hast ja jetzt immer frei“ - ist sie arbeitslos? wir erfahren es nicht wirklich. die dichterin schreibt im café, sie scheint nicht begütert zu sein, ist froh von früheren zeiten noch schöne unterwäsche zu haben. hört sich nach einer geschichte an. nach einer ganz anderen vergangenheit. die frauensolidarität beschränkt sich auf einkaufs-und ernährungstipps. 
alle machen alles ganz toll, heißt es noch. und "ich bin sicher …“  die dichterin lässt das geplänkel abtropfen, sie schreibt im café. noch dazu im immer noch schönen Haidhausen. Ein szene-viertel, unbezahlbare wohnungen, aber es gibt das Fortuna und ein paar andere nette cafés, hier kann man immer noch neben allem anderen künstlerin sein und ideen bekommen. das ist ein poetischer möglichkeitszustand den wir gerne aufgreifen. hier gab es auch mal das berühmte Café Größenwahn, dort begegnete ich einem jungen mit langen roten Haaren und lila pailletten-hotpants, in den 80ern, wir träumen uns rückwärts in die zukunft oder wohin die dichterin uns schicken mag …