beitrag von: EvaSimone
Ein Kaffee geht immer
allen ist alles bekannt
Allen ist alles bekannt
Sie liest Zeitung
Die dritte an diesem Vormittag
Hart gekochtes Ei, Melange, Kornspitz
Ein Mann setzt sich zu ihr
Graues Hemd, blaue Krawatte, braune Locken, Grübchen
-Guten Morgen, Liebling
-Guten Morgen, Schatz
-Schön, dass du pünktlich bist
Er presst ihren Daumen zwischen seinen Fingern
Es wird schmerzhaft
Sie lacht
-Ich kann nicht mehr
-Du kannst nicht mehr?
Ich auch nicht
-Lassen wir es?
-Ja
Er bestellt eine Melange
Den Kaffee trinken sie gemeinsam
Sie zahlen und verlassen das Kaffeehaus
Er biegt nach links, sie nach rechts
Der Kellner sieht beiden nach
Wien, 8. Bezirk - Cafe Hummel
review von: augusta laar
ein kaffee geht immer? dieses gedicht kommt beschaulich daher und wird dann sehr traurig, fast beängstigend. ein kaffee geht vielleicht, aber nur mit der beilage von kleinen gemeinheiten und grausamkeiten: der schmerzhaft gepresste daumen als übergriff des mannes, das süffisante "schön dass du pünktlich bist" von der frau. genau und fies stellt die dichterin das ende der beziehung dar, in beiderseitigem einvernehmen, wie es heißt, anhand oder trotz des gemeinsam getrunkenen cappuccinos, was mir als leserin nat. unwahrscheinlich vorkommt, eher als wählte man ein äußeres szenario um eine aus dem ruder gelaufene sache zwischen zwei menschen in zumindest ein kleines film-score zu verwandeln, dann hat es wenigstens ein bisschen glanz oder? immerhin stellt man einhellig fest, dass nichts mehr geht zwischen beiden. außer dem performance-cappuccino, aber das wars dann auch. der text wirkt nun tatsächlich wie ein script zu einem kurzfilm, für mich ein gelungenes projekt - der titel, ein sogen. bonmot, wird erst richtig gut, wenn man das ganze gedicht gelesen hat, dann bekommt er einen satten zynischen beigeschmack, allerfeinstens. schön der schluss, auch ein film-ende . der kellner der beiden nachsieht