als fortsetzung ausgewählt
advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 22
Auch Richard verlässt die Bib. "Scheiß Medizin." Nur weil sein Vater ein anerkannter Kremser Ohrenarzt ist, muss er sich nicht auch mit ekelhaft kranken Menschen abmühen. Richard will sich doch viel lieber um seine Netsuke-Sammlung kümmern. Am Liebsten hat er die feinen, kleinen, aus Jadestein geschliffenen. Jeden Morgen poliert er sie, zärtlich, als wären es seine Kindchen. Seine Schutzbefohlenen auf dem Hay-Sideboard. Richard zieht den Mantel enger und geht los. Raus aus dieser Uni, raus aus diesem Leben. Er träumt von Yves Klein und Café Lattes, von Moleskin-Heften und 70er-Jahre-Bademode. Ach. Aisha hat das nie verstanden. Deshalb hat das mit ihnen ja auch nicht funktioniert. Fast, also beinahe, hätte er sie schon seiner Mutter vorgestellt. Aber dann wollte sie wieder einmal lieber online Sneaker shoppen, als sich mit ihm über diese tolle Arte-Doku zu unterhalten. Und da war es ihm klar. Dass sie keine Zukunft haben. Und Zukunft ist etwas, das er unbedingt braucht. Je mehr Zukunft, desto besser. Das war mit Aisha einfach nicht möglich. Da hat er dann die Konsequenz gezogen. Back to the future, sozusagen. Aber nun ist Aisha Vergangenheit, und das ist gut so. Er hat es gern ordentlich. In seinen Regalen, und in seinen Angelegenheiten. Es würde alles durcheinander bringen, was er gerade erst so mühsam sortiert hat, wenn Aisha jetzt mit ihren schrillen Schuhen aus der Vergangenheit in seine Gegenwart kreuzen würde. Nicht auszudenken. Doch zum Glück ist Aisha mehr als Vergangenheit, fast schon Plusquamperfekt. Richard setzt sich auf eine Parkbank und überlegt ein Buch zu schreiben. Die Tauben tummeln sich um ihn, er genießt die Wintersonne. Da fliegen die Vögel auf, die Sonne verdunkelt sich, und ein Paar pervers leuchtende Sneaker stehen plötzlich vor ihm. "Hallo, Richard. Schön dich zu sehen."