advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 2
beitrag von: Peppermintbetty
Hand am Kragen, Daumen, Zeige- und Mittelfinger auf klebrigem Saucensaft, wird es ihm klar. Just in dem Moment, als die Frau mit dem spöttischsten Blick aus schwarzen Augen ever ihn ein zweites Mal anschaut. Dort drüben, zwischen den Schuhkartonregalen, steht mit wilder Locke über kaffeebrauner Stirn Michaels Schicksal. Michael macht einen Schritt auf sie zu, als die Ladentür geöffnet wird. Ein Riese tritt ein. Es geht so schnell, dass nicht klar wird, wie er überhaupt durch die Tür passte. Seine Schulterpartie ist eine Hommage an American-Football-Dressen. Seine Beine sind Sprintkämpfer. Captain America! Das ist das Erste, was Aisha bei seinem Anblick einfällt. Jetzt kommt er direkt auf sie zu. Irgendwo hinter ihm verschwindet dieser komische Typ, der sich mit Burgersauce bekleckert hat. Als Captain America Aisha in – wie könnte es anders sein – tiefem Bass fragt, ob sie den neuen Force 1 LV9 von Neki haben, öffnet und schließt sich die Ladentür noch einmal. Dann sind sie allein. Captain America ist ein junger Schwarzer, der – Aisha ist sicher – mindestens schon einmal den Wien-Marathon gewonnen hat. Kennerhaft streift ihr Blick über die Schuhschachtel hinweg seine gut definierten Zwillingswadenmuskel. Er hält den linken Sneaker in der rechten Pranke und schickt sich an, den Sitzhocker im Laden einer Belastungsprobe zu unterziehen. Aisha hört ihn schon splittern. Interessant. Zu erfahren, ob die hohl oder massiv sind, ist nicht jeder Ladenangestellten gegeben. In Wirklichkeit passiert gar nichts. Außer, dass Captain Wien-Marathon-America federnd in Force-Sneakers über Erlen-Laminat läuft. „Gut, ich nehm‘ sie.“ Aisha lässt den tiefen Basston absichtlich lang über ihr Rückgrat vibrieren. Die Härchen an ihrem Nacken stellen sich auf. Geld und Schuhkarton wechseln die Besitzer. Aisha bleibt allein mit dem unversehrten Hocker im Laden zurück. Schade, sie hätte wirklich zu gerne gewusst … Auf der Straße atmet Joseph auf. Na also: doch noch fündig geworden.
review von: teresa präauer
liebe peppermintbetty, danke für diesen beitrag! mir gefiel gut die beschreibung von "captain america", hinter dem der arme michael so klein verschwindet. auch der superlativ vom "spöttischten blick" ist schön zu lesen, wenn es keinen vergleich gibt: am spöttischten im vergleich zu welchen anderen blicken? das muss eben nicht geklärt werden, das halte ich für einen kleinen witz, den sich die sprache erlaubt. unser held könnte vielleicht schneller ans ziel und aus dem laden kommen, um schon anzudeuten, wo es bei folge drei hingehen könnte …