advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 4
beitrag von: Haike
„Darf ich fragen, wie sie heißt, die schöne Fremde?“, fragt der Ernsti.
„Darfst mich Jacky nennen. Ausnahmsweise.“
„Ah! Wie Jacky Kennedy! Ist ja allerhand. Allerhand, nicht wahr?“
Der Herr Franz antwortet nicht, er wischt nur den Nachbartisch sauber.
Der Ernsti schaut ja ganz gut aus, denkt sich die Jaqueline. Aber dann fängt er halt an zu reden und zu reden, sie kann gar nicht so viel zuhören, wie er redet, und dann muss sie gähnen. Ihr Achtel ist auch leer.
„Du, mal was anderes, Ernsti, ich muss ins Tirol, und schau mal, meine schweren Tüten. Kannst du mir vielleicht helfen, was meinst du?“
„Will sie skifahren, die Jacky?“
„Haha, lustig! Aber so weit ist es auch wieder nicht. Ins Hotel Tirol meine ich.“
Sie gehen zusammen in den Schnee raus. Es ist ein richtiges Gestöber mittlerweile. Nein, das ist ihr jetzt doch zu unbequem. Sie winkt ein Taxi heran, stapelt die Tüten hinein und schon macht sie die Tür von Innen zu und winkt dem Ernsti durch die Scheibe. Der steht mit offenem Mund da.
„Ins Tirol?“, ruft der Taxifahrer, „Die demonstriern schon wieder, die demonstriern jeden Tag, und wieder ist alles gesperrt, wenn ich so einen mal hier drinnen sitzen hab, da kann ich für nichts garantiern, gnädige Frau, es tut mir leid, ich muss ganz außen herum fahren. Allesamt Kriminelle, allesamt in die Zwangsarbeit, wenn Sie mich fragen.“
„Ich frag Sie aber doch gar nicht. Lassen Sie mich hier heraus bitte. Die paar Meter schaffe ich allein.“
Sie macht die Tür auf, packt sich die Tüten, und rennt los. Die Sneakers sind super, auch im Schnee. Der Fahrer ist ihr allerdings auf den Fersen, und vorne die Demonstranten, da ist kein Durchkommen.
Im Rennen wird sie am Handgelenk gepackt, fast hätte es sie hingehauen, sie denkt schon, jetzt hat er mich, aber jemand zieht sie weg, mitten in die Menge rein, und alle singen „We’re going to Ibiza“ und hüpfen miteinander weiter, der Fahrer bleibt zurück, er kann nur mit den Händen fuchteln und „I bring di um, i bring di um!“ brüllen.
review von: teresa präauer
ui, liebe haike, da hab ichs diesmal schwer mit der auswahl, denn das könnte durchaus unsere neue folge sein! ich finde den anfang wieder sehr gut und würde trotzdem ein bisschen verknappen in der mitte, das sind manchmal nur ein paar wenige wörter, die man streichen kann. wobei: atmosphärisch ist das gut getroffen!