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advenire

advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 6

beitrag von: christiane_hanna
Nina ist sowohl angewidert als auch verzaubert vom Treiben auf der Mariahilfer. Ersteres ist rational begründet, zweiteres emotional: Sie findet, dass das Christfest zum Kommerzfest verkommen ist. Andererseits, früher war es auch nicht besser, denkt sie. Vielleicht mehr noch als heute war Weihnachten damals als Feier des Patriarchats gedacht, zur Stärkung der Familie um Mann und Frau, um die Gesellschaft in einer punschklebrigen Geste zu unterdrücken. Widerlich. Dennoch kann Nina nichts dagegen tun – die stimmungsvollen Lieder, der Geruch nach gebrannten Mandeln und die vielen Lichterketten, die sich um die Häuserfassaden winden, bewirken bei ihr ein Gefühl der Ergriffenheit. Und kitschigerweise fängt es jetzt auch noch zu schneien an. Ähnlich geht es Nina mit ihrem Schwarm: Auf rationaler Ebene betrachtet weiß sie, dass der Typ völlig daneben ist. Trotzdem kann sie sich schlecht gegen ihre Gefühle wehren. Immer wieder macht sie nicht nachvollziehbare Dinge für ihn oder wegen ihm. Wie vorhin, als sie dieser unverschämten Frau einen Spiralisierer zum sehr unfairen Preis abgekauft hat. Nina weiß, dass sie sich wieder einmal befreien sollte. Wenigstens symbolisch. Mit den Worten „Hier, vielleicht können Sie den ja weiterverkaufen, falls Sie nicht kochen. Frohes Fest.“, drückt sie das Gerät einem wohnungslosen Mann namens Charlsky in die Hand und verschwindet leichten Schrittes in eine der geschmückten Seitengassen. Charlsky legt das Ding in sein Sackerl zu den Sachen, die ihm die Leute immer wieder wohlmeinend schenken, mit denen er aber leider nichts anfangen kann. Dort befindet sich neben acht Wollschals, einer viel zu kleinen Lederjacke, einer Bibel und einer Flasche Sauerkrautsaft jetzt halt auch noch ein komisches Küchengerät, was soll's. Es ist sicher keine Absicht, dass er das Sackerl liegen lässt. Aber es trifft sich gut. Denn er ist schwer bepackt, als er sich langsam erhebt und durch das zunehmende Schneegestöber in Richtung Westbahnhof geht … 

review von: teresa präauer

liebe christiane_hanna, gut geschrieben wieder! mich würde natürlich interessieren, was an ninas freund eigentlich so blöd ist. dies mit einem satz auszuschmücken, würde die kleine pointe aufnehmen und sie nicht verpuffen lassen. aufgebaut wird diese pointe (widerstreit von emotional und rational) ja vorher mit den überlegungen zum christfest, sprich,d as könnte man verknappen, dafür den freund mit einer zeile erweitern und ausbauen. charlsky ist eine super figur!
Christiane Hanna sagt
06.12.2020 17:53
Danke für Deinen Kommentar, auch für den gestrigen, und das Spiel! Es macht Spaß :)
Liebe Grüße!