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als fortsetzung ausgewählt

advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 7

beitrag von: matthaeusbaer
Fassungslos starrt Nihad auf den Gegenstand in seinen Händen. "Das gibt's ja nicht", flüstert er. "Genau das Modell war's. Ein 'Rosenstein & Söhne', mit herausnehmbaren Edelstahlklingen." Aus der Kundentoilette dringen erbarmungswürdige Geräusche. Nihad muss sich setzen. Die Erinnerungen, die er jahrelang so vorsorglich verdrängt hat, brechen nun mit unbändiger Kraft über ihn herein. Er versucht die aufkommenden Bilder beiseite zu schieben. Zwecklos. Der Schneidemaschinenmotor surrt bereits in seinen Ohren. Die Angst, genau wie damals. Das Leuchten, die Schreie. Der brennende Baum! Mit all seiner verbliebenen Willensstärke holt sich Nihad zurück in die Gegenwart. "Nein!" Er ist stark, er wird daran nicht wieder zerbrechen! Die vielen Therapiestunden bei Frau Gepard sollen nicht umsonst gewesen sein. Er reißt sich die Fensterglas-Fake-Brille vom Kopf, die ihn sein Arbeitsvertrag zu tragen verpflichtet, schleudert sie zu Boden. Sollen sie ihn doch rausschmeissen, das hier ist wichtiger! Jackenlos stürmt er aus dem Laden. Den Spiralenschneider wie ein Neugeborenes an sich gedrückt rennt Nihad los. Bis zu Frau Gepard ist es nicht weit, wenn er sich beeilt, schafft er es ohne Panikattacke zu ihr. Vielleicht kann sie ihn einschieben, für eine Intervention. Sie muss. Immer hat sie behauptet, Nihad würde übertreiben, der Spiralschneider wäre eine Projektion seiner Mutterkomplexe. Aber jetzt hat er den Beweis! 'Rosenstein & Söhne'! Schweiß durchnässt sein Fielmann-Hemd, immer wieder muss er sich die zu große Hose raufziehen. Er hat Seitenstechen, sein Herz drückt gegen seine Rippen. Nur noch eine Querstraße. Da stolpert er über eine auf den Boden geworfene Burgerschachtel. Er schlägt hart auf den Asphalt, schmeckt sofort Blut. Die Maschine kullert ihm aus der Hand, schlittert noch ein paar Meter und bleibt zwischen zwei Cowboyboots liegen. Eine Hand greift danach. Nihad wird übel. Er kennt diese beringten Finger nur zu gut. Das kann kein Zufall sein! 

review von: teresa präauer

lieber herr baer, ich muss einfach schallend lachen, welch eine folge! danke vielmals! und die beringte hand? gehört sie seiner therapeutin oder — hitchcock-musik – gar seiner MUTTER?! angst-smiley.