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advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 9

beitrag von: matthaeusbaer
Fieberhaft überlegt Thomas wie er den Dichtercowboy ködern könnte. Ein flotter Spruch à la "Hey, deine Poesie hat eine Strahlkraft, die Clint Eastwoods Augen verblassen lässt ... möchtest du im Pistolenverlag veröffentlichen"? Das könnte ihn allerdings auch verschrecken, sensible Künstlerseelen entschließen sich ja  oft den reisserischen Mechanismen der Kommerzkultur. Vielleicht doch lieber mit der avantgardistischen Ader Punkten? Thomas will sich gerade den Rollkragenpullover hochziehen und den bestiefelten Poeten mit einem pointierten Vortrag über die Korrelationen von Surrealismus und Wiener Gruppe für sich gewinnen, als ihm jemand auf die Schulter schlägt. "Thomas, du hier? Was für ein Lichtblick an diesem trüben Tag!" Thomas dreht sich genervt um und erstarrt. Er blickt in Ernstis apfelstrudelverschmiertes Angesicht. Ernsti war DER Grund warum Thomas seinen Posten bei einem renommierten Verlagshaus in der Innenstadt aufgegeben und sich für die prekäre Existenz im kulturellen Underground entschieden hat. "Na, wie läuft's so in der Selbstständigkeit? Geht sich eine Reise zur Buchmesse aus im heurigen Budget?" Ernsti lacht und boxt Thomas kumpelhaft gegen die Brust. "Ähm, du hast da was im Gesicht!", kann Thomas nur entgegen. "Naja, du weißt schon, die Frauen!" Noch immer grinst Ernsti in an. Jetzt zwinkert er auch noch verschwörerisch. Thomas wird noch eine Spur übler. Ernsti hakt sich bei ihm ein und zieht ihn von der immer größer werdenden Menschentraube um den Dichtercowboy weg. Thomas spürt Wut hochkommen. Jetzt stiehlt ihm dieser Vollhonk auch noch seine einzige Chance auf einen ordentlichen Hit am Buchmarkt. Genug ist genug. Langsam fährt er mit der rechten Hand in die linke Innentasche seines Mantels. "Ernsti", sagt er, "weißt du eigentlich, warum ich meinen Verlag "Pistolenverlag" genannt hab?" Ernsti schaut ihn überrascht an, doch bevor Thomas die Hand aus der Manteltasche bekommt, klopft ihm wieder jemand auf die Schulter. " Oh nein,Kommissar Gunther!" 

review von: teresa präauer

wie immer bei ihren texten, herr baer, musste ich schmunzeln! merci bien!