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advenire

als fortsetzung ausgewählt

advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 11

beitrag von: Kaulboy
„Die Bootschuhe, die Ingeborg Bachmann im August 1953 anprobierte und der dazugehörige Schuhlöffel“, Marvolo drückt Amalie die Tüte in die Hände und innerlich aufs Gaspedal.
Einige Minuten später sitzt Marvolo im hinteren Bereich des Gold Dragon so, dass er die Eingangstür im Blick hat. 
Rechts von ihm steht ein leeres Aquarium, hinter ihm Yuzuki Shirane im seidenen Gewand. Sie sind alleine. Im Hintergrund läuft Franz Liszt. Yuzuki Shirane, um die zwanzig, kämmt Marvolo mit einem selbstgebastelten Werkzeug aus Essstäbchen die Haare. Seine Wollmütze hat Marvolo trotzdem nicht abgesetzt.
Er zählt das Geld von Amalie zum dritten Mal. Nicht, dass er nachzählen müsste, es handelt sich um zwei Fünfhundert-Euro-Scheine. Marvolo hält sie einfach nur gern in den Händen.
Er legt das Geld auf den goldenen Tisch und zieht die Oberlippe in seinen Mundraum. Marvolo fragt sich, ob er seinen Kodex gebrochen hat: Zivilisten über siebzig nicht verarschen. Klar, so alt war die Alte nicht. Es tut gut, wie ihm Shiro die Haare kämmt. Ganz zurechnungsfähig allerdings schien..
Die Tür geht auf, Abu Flachmann betritt das Lokal. Er sieht aus wie ein Häufchen Elend.
Marvolo, sagt er, du musst mal kurz mitkommen.
Marvolo nickt. Das Nicken gilt Yuzuki Shirane und Abu Flachmann. Er steht auf und begleitet seinen Freund nach draußen. Für einen vielleicht ganz kurzen Moment denkt Marvolo: ich werde sterben. Ich bin nicht bereit.
Yuzuki Shirane erwägt die Ladentür abzuschließen. Sie blickt zum Tisch: der Hauch von Lila steht ihm gut.

review von: teresa präauer

lieber kaulbaoy, eine figur zu viel neu eingeführt, nach yuzuki hätte man ein ende finden können und sich die neue figur für die neue folge aufsparen. aber ich muss sagen, das ist so toll geschrieben, und ich hab bei ingeborg bachmanns bootschuhen derart laut auflachen müssen, dass ich wohl hier auf den tür-des-tages-text setzen muss, obwohl kollegin christerin auch ganz vorne liegt … wunderbar, witzig … und irgendwie seltsam, wie eine szenerie aus den 20er jahren oder aus einem sehr parfümierten film von louis buñuel …