als fortsetzung ausgewählt
advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 13
So kann es nicht weitergehen. Seit Jahren schon redet er sich ein, dass es besser wird. Aber nichts wird besser. Eher schlimmer. Seine Kollegen, seine Frau, sein Liebhaber, alle sagen sie ihm, er muss etwas unternehmen. Einen Anfang machen. Den ersten Schritt setzen. Nur was genau er tun soll, sagen sie ihm nicht. Schörghuber zieht die Nase hoch und rotzt auf den Asphalt. Vielleicht ist es wirklich an der Zeit. Weiße Mäuse, rosa Elefanten, okay! Aber jetzt sieht er schon Geishas im Wasser treiben. Da ist auch für Schörghuber eine Grenze überschritten. Er fummelt den zerknitterten Zettel aus der Jackentasche, den ihm Jorge nach dem letzten Stelldichein zugesteckt hat. "Ruf da an", hat er gesagt. "Dann weißt, was Sache ist." Schörghuber tippt die fremde Nummer in sein Seniorenhandy. Übergroß flimmern die Zahlen auf dem Display und bringen sein unrasiertes Gesicht zum Strahlen. Nach dem ersten Läuten knackt es in der Leitung. "Schörghuber!", sagt eine Stimme. "Endlich." Schörghuber ist verwirrt. "Äh, hallo? Wer spricht denn da?" "Aber Roland", säuselt es ihm entgegen, "das liegt doch auf der Hand. Ich bin's, Elouise, vom Wahrsageinstitut Montschegorsk." Schörghuber schluckt. "Wie bitte? Was soll das? Wer sind Sie?" "Sei nicht so ungeschickt, Roland, wir wissen doch beide, worauf das hinausläuft. Wenn du hören willst, wie du aus dem Schlamassel rauskommst, stell dich in exakt 23 Minuten unter die Augartenbrücke, Donaukanal Westufer. Du weißt schon, beim Flex. Du erkennst mich an den Sneakern. Bis gleich!" Einige Augenblicke lang hört Schörghuber noch dem stillen Rauschen aus dem Telefonlautsprecher zu. Dann zieht er den Kragen hoch, verwünscht diese angebrochene Nacht und nimmt sich ein Citybike, um langsam flussaufwärts zu radeln.