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advenire

als fortsetzung ausgewählt

advenire - vom Kommen und Gehen, Folge: 20

beitrag von: schreiberin
Vor dem Haus steht ein Taxi. „Das ist ein Zeichen“, freut sich Luise und greift nach dem Türgriff. Da vernimmt sie das "Klock,lock" der Schlösser, das grüne „Frei“ springt auf rot „Besetzt“, und der Taxler fährt mit quietschenden Reifen davon. „Vollkoffer“, brüllt Luise. Sie hat Mühe, den schrankhohen Rollkoffer zurück auf den Gehsteig zu bugsieren. „Vollkoffer-Rollkoffer“, kommt ihr in den Sinn. Das findet sie jetzt doch irgendwie witzig. Luise entspannt sich und besinnt sich ihrer schamanischen Erfahrungen. Sie konzentriert sich, lenkt ihre Gedanken, und schon rollt der Koffer vor ihr her, hält bei rot, rollt bei grün, die Entgegenkommenden weichen aus, links, rechts, und Luise spaziert hinter dem Ungetüm drein. Jetzt ist sie schon beim Schwarzenbergplatz. Bei der Mariahilfer hinauf wird es mühsam. Alle paar Meter bleibt der Koffer stehen, und Luise muss die Hände an die Schläfen legen und die Augen schließen und „Roll, mein Guter, roll“, sagen, immer wieder, bis sie oben ist beim Café Westend und über den Gürtel zum Westbahnhof. Mittlerweile folgt ihr eine johlende Meute. „Roll, roll, roll mein Guter“, skandieren die Leute. Als sich die Glastüren des Eingangsportals automatisch öffnen, dreht sie sich noch einmal um und lächelt und winkt. Im Lift hat außer ihr und dem Koffer keiner mehr Platz. „So sorry“, ruft sie den Wartenden zu, dann ist sie schon eine Ebene höher und auf ihrem Bahnsteig. Zwei Männer zerren den Koffer in den Waggon und zurren ihn fest. Luise lässt sich erschöpft auf den Sitz fallen. Kurz vor Tullnerfeld nimmt sie ein Rumoren wahr. Wie von Geisterhand löst sich der Gurt und ihr Koffer rollt zur Tür, und als der Zug stehen bleibt, kugelt er über die Stufen und Luise hinterdrein. Verdattert sitzt sie auf dem Bahnsteig. Der Zug setzt sich wieder in Bewegung. Der Wind streicht über die Weiten der Ebene. Da steht plötzlich ein befrackter grauhaariger Hüne vor Luise und sagt: „Mir scheint, Sie sind angekommen, Madame?!“

review von: teresa präauer

sehr konzise, diesmal, liebe schreiberin, da ist kein satz zu viel! die umtriebigkeit der objekte! ach, würde das nur immer so funktionieren, wie wir es uns wünschen. meine gegenstände richten sich oft gegen mich. die gläser, die zerbrechen. ich kaufe mir nur noch dickwandige trinkgläser, auch wenn ich eine ästhetin bin, aber was anderes bleibt bei mir nicht lang heil. und luise wird ja auch übermannt, überfraut, überkoffert vielmehr! toll.