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geheimnachrichten an h.c. artmann

beitrag von: Voila

Erdäpfelgulaschrezept mit geheimer Botschaft an den Meister

Kleine Vorbemerkung: Jetzt hab' ich's doch versucht!

de sochn, wos ma braucht, san fia zwa große essa:
zehn deka bauchfüz -  jo, von wegn: nua ka schmoiz! -,
a kilo erdäpfi (die speckign san besser!),
an grestn zwüfi, babrika (siaß/schoaf) und soiz.

haaß's wossa eine in a gusseisanes reindl.
san d’erdäpfi daunn waach, kaunnst 's gulasch glei serviern.
so guad wia des, schmeckts ned amoi am grab’n beim meindl*.
du soitest des rezept, waunns geht, gschwind ausbrowiern.

da driwastrarer foit a bissl aus’m rahmen.
madeira fia de herrn, siaß-sauren rahm fia d’damen.

Ergänzendes PS, H. C. ins Ohr geflüstert:

I waaß, man kaunn net ollas hom auf dera wöt.
Do muass i ehrlich song, dass mia de knackwuascht föht.


*Delikatessengeschäft Meinl am Graben in Wien

review von: ondřej cikán

Super, super, Bombe, genau sowas will ich lesen, wenn ich um 2:00 eigentlich schlafen sollte und einen kleinen Ohrwurm brauch und mich ein bisschen freuen will an derer Welt. 
Also: Sie haben mir wirklich Freude gemacht. Am besten ist m.E.: „von wegn: nua ka schmoiz!“ Richtig! Schmalz muss auch mal sein, wenn Liebe durch den Magen geht und nicht dur durch das bluadiche heazz, dann braucht man Schmalz, das ist doch klar.

Die Alexandriner, die Sie aus prächtigen Sylben „gestochen“ haben, sind super.
Nur ein paar Feinschliffe:

Die Zäsur stimmt nicht in Vers 4:
Lässt sich leicht korrigieren zum Beispiel so:
An babrika (siaß/schoaf), an grestn zwüfi, soiz.

Und die Zäsur stimmt auch nicht in Vers 11:
Lässt sich leicht korrigieren zum Beispiel so:
I waaß, ma kaunn net ois hom hia r auf dera wöt.

Metrisch ungenau ist Vers 7:
„grab’n“ wird wohl zweisilbig gelesen, nachdem „grestn“ und „sochn“ und „wegn“ schon zweisilbig waren.
Warum nicht einfach z.B.: 
so guad wia des, schmeckts ned amoi am grobnmeindl.

Kleinigkeit: An Ihrer Stelle würde ich die Apostrophe vereinheitlichen, d.h. tendenziell auf Apostrophe verzichten. „haaß’s“ und „d’damen“ haben ihre metrische und klangliche und orthographische Berechtigung. Aber „aus’m“ kann genauso „ausm“ sein, genauso „grab’n“, weil Sie ja ohne Weiteres „sochn“ und „gschwind“, „wegn“ usf. schreiben. 

Vielleicht könnte man auch überlegen, wie man ausgelassene „l“ ersetzt, z.B. durch ein stummes „h“ oder durch eine Gemination des Vokals: „-fühz“ oder „-füüz“ oder „-füüzz“ für Bauchfilz. (Super Wort übrigens.)

Man könnte auch Wörter wie „rezept“ (wenn man wollte) „weiterentwickeln“, z.B. (Extremvariante) „rezäbt“, aber das schütte ich jetzt nur so aus dem Ärmel, weil es Spaß macht.

Vielen Dank nochmal,
Alles Liebe,
OC.

PS:
Poetisch goldrichtig, meiner bescheidenen kulinarischen Expertise zufolge aber irrig ist Vers 3. Fürs Erdapfelgulasch braucht man Mehlige.
Claudia Karner sagt
22.06.2021 11:32
Lieber OC,
wie schön, dass ich Ihnen zu nachtschlafener Zeit noch die Mundwinkel nach oben ziehen konnte!
Danke für den ausführlichen Kommentar. Der Gedankengang mit "von wegn nua ka schmoiz" war, um in der Fußballersprache zu sprechen" a aufg'legte Soch. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich die phonetische Schreibweise komplett durchziehen sollte. Dann müsste es auch "browian" und "serwian" heißen, dann wird's schon sehr schwer leserlich. Und würde noch jemand "Schbeggige" verstehen?
Ich werde das Gedicht aber überarbeiten und die Apostrophe weglassen. Schreibt man eigentlich Eigennamen in so einem Gedicht groß?
Übrigens: Artmann empfahl in der Tat "Speckige". Und kane Möhlichn.
Hier der Beweis: https://www.fischer.im/[…]/erdaepfelgulasch-nach-hc-artmann.html
Nochmals herzlichen Dank
und liebe Grüße aus Salzburg
Claudia Karner
ondřej cikán sagt
28.06.2021 03:29
Liebe Frau Karner,
zweifellos müssen es aus poetischen Gründen speckige sein, ohne Speck kein Schmalz.
Ich mag in Erdapfelsuppen und Erdapfelgulasch halt lieber Mehlige, weil sie den Saft verdichten.
Mit lieben Grüßen aus Ottakring,
O. Cikán.