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geheimnachrichten an h.c. artmann

beitrag von: troflo

heit hob i glocht (wegn dir)

an togn wia heit, wo aman nix, owa scho goa nixand gfreid,
wo draussn die sun owalocht und drin nix is
                                 wira pechschwoaze, finstare nocht,
wo iwa mir nur allan a woikn, die koa aundara siacht, 
   tröpfid und tröpfid, mir’s wossa boid koit ins knack owegriacht:
an so togn wia heit, do wird ma vo sich aus, allanig, ned gscheid.


do bin i ma fremd und sprich goa ka sproch; do geht uis vakehrt
und i aus da spur. schlimma und schlimma je mehr ma si wehrt,
da hümmi wia blei is und d’luft zum dasticka, nix mehr zum lochn
und koa platzal im schottn, jo, ned amoi gfreid mi des kochn… 


… wiso a? - i hob goa kan hunger, es schmeckt jo olles schal. 
und aussadem is ma heit olles sowieso nua schnurzefurzegal. 
auf meine schuitan do lostet der lästige tog, wia deine gedichte 
						    duat am regal, 
wo’s  glesen net wean und faugan nur  zaum den staub ausm all. 


owa zwischen die finga, in meine händ, do wiad gschossn und gwiagt,
do spannt si auf amoi der hümme gaunz weit, üwa den ana fliagt,
und es taunzn die todn im rhythmus  vo ana pechschwoazn tintn
und es wiad a da prinz die prinzessin ganz sicher ned findn,  


üwahaupt wird ma si fremd nimma fremd sein bei nocht oder tog 
und mit haut und mit hoar und mit herz und mit hirn und mit 
					      darm und mit bluat,
do bleibt, stott ana antwort auf die ana hofft, oft nur mehr a frog; 
und am end, des a kans nimmt, geht’s weida nur und nix wiad guat. 

review von: ondřej cikán

Na das hört sich ja ganz schön deprimiert an. 

Der Rhythmus und die Reime passen weitgehend gut. In der ersten Strophe sind die überlangen Verse halt etwas sehr überlang. 

Die Rechtschreibung ist eine Sache für sich, da könnte man sich was einfallen lassen, um das Ganze auf eine „höhere Ebene“ zu heben. Manche Wörter schreiben Sie, wie man sie spricht (owegriacht), manche schreiben Sie hochsprachlich (herz, darm). Dass Sie nicht „pechschwoazzn dintn“ wählen, um Artmann wörtlicher zu zitieren, wird wohl Absicht sein. Einmal schreiben Sie „uis“, dann aber zweimal „olles“. Usf. Der Spaß mit der Rechtschreibung im Dialekt besteht einerseits in der „sprachwissenschaftlichen“ Spielerei und andererseits könnte man absichtlich für interessante Missverständnisse und Mehrdeutigkeiten sorgen, wenn man wollte. 

Manche Verse sind jedenfalls schön, z.B. „und mit haut und mit hoar und mit herz und mit hirn und mit darm und mit bluat“ evoziert auf witzige Weise eine eine Blunzen (darm und bluat) und Katzenfutter (herz und hirn), die Folge einsilbiger Wörter ist super effektvoll, aber im Zusammenhang wirkt es vielleicht ein bisschen unfreiwillig komisch: Man möchte meinen, dass eine Blunzen zu der ganzen Depression nicht ganz passt und denkt dann vielleicht an Blut im menschlichen Dickdarm, was gewissermaßen eklig ist. 

Da und dort wirkt das Gedicht ein bisschen zu geschwätzig: Sie brauchen sehr viele Wörter, um relativ wenig zu sagen. Diese „Geschwätzigkeit“ ergibt sich auch dadurch, dass Sie einerseits der Reime wegen Bilder einfügen, die irgendwie aus dem Rahmen fallen („ned amoi gfreid mi des kochn…“ – also macht dem Sprecher das Kochen normalerweise Spaß. Ist die Info vielsagend?), und andererseits streckenweise wiederum zu sehr im Rahmen bleiben und Bilder bemühen, die Phrasen (altbekannte Wendungen) sind: Die Wolke, die auf den Sprecher tröpfelt, nix mehr zum lochn, koa platzal im schottn (ka plozzal im schoddn?), und aussadem is ma heit olles sowieso nua schnurzefurzegal etc. usf. Das sind lauter Dinge, die man schon oft gehört hat. Interessanter wäre es, neue, außergewöhnliche, ungewohnte Bilder zu finden. 

Die Pointe Ihres Gedichts „und nix wiad guat“ macht mich auch nicht besonders glücklich – und sie bringt mich auch nicht zum Weinen, ich denke mir nur: Ok, demjenigen, der das geschrieben hat, geht es nicht sehr gut. 

Wenn Sie die Leser zum Weinen bringen wollen (was eine sehr schwierige und heilige Disziplin ist), dann sollten Sie darauf achten, sie mit überraschenden Bildern zu überwältigen und zugleich nicht nur von sich selbst zu sprechen, sondern irgendwie auch die ganze Welt und andere Menschen unterzubringen. Die Nebeneinanderstellung von Individuum und etwas anderem (der Natur, dem All oder anderen Individuen denen es irgendwie anders, aber vielleicht ähnlich geht) ist meiner Erfahrung nach wirkungsvoll. Auch sollte es irgendeinen (egal wie unbestimmten) Grund für die Depression geben.

Wenn Sie den Leser zum Lachen bringen wollen (ebenso eine heilige Disziplin), dann sollte die Depression einen Tick komischer sein.

Auf jeden Fall: „heit hob i glocht“ ist immer erfreulich.
Alles Liebe,
OC.
Florian Troebinger sagt
30.06.2021 16:21
Danke für's Feedback - ja, ich hab da noch einen Klumpen, der zwar schon ein bisschen Form hat, aber noch nicht zu dem
geworden ist, was er sein könnte.