beitrag von: Juliagfreutsich
Seitdem ich bin
Ich bin einfach losgegangen. Ich weiß ja auch nicht, was plötzlich in mich gefahren ist. Als ich an mir herabblickte, sah ich meine Beine, wie ferngesteuert, Schritte machen. Einen nach dem anderen. Ich konnte gar nicht anders. Eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Es ist einfach so passiert, ganz von alleine. Glaubst du mir? Glaub mir ruhig. Wobei, ich glaubte es selbst nicht, hätte ich es nicht miterlebt. Und das verrückte ist, es hat nicht mehr aufgehört, es ging immer so weiter ... ICH ging immer weiter. Dabei wäre ich lieber dort geblieben, dort wo ich war, doch das ging nicht. Ich war diesem Geschehen völlig ausgeliefert, absolut machtlos. Kennst du das Gefühl? Das ist kein gutes Gefühl, kann ich dir sagen. Aber irgendwie auch kein schlechtes, sobald man sich darauf einlässt. Und das hab ich getan. Ich habe mich einfach darauf eingelassen ... so lange es eben anhielt. Und ich sage dir, das ging schon eine ganze Weile so. Links, rechts, links, rechts... die Beine wussten was zu tun ist. Ich nicht, ich habe quasi einfach die Landschaft genossen. Naja, nicht unbedingt genossen aber zumindest wahrgenommen. Und dann blieb ich plötzlich stehen. Meine Beine blieben stehen, ich selbst war ja noch immer machtlos. Ja, und seitdem bin ich hier, und frage mich, was ich hier soll.
review von: antonio fian
Das ist ein schöner kleiner Monolog, den ich mir auch gut auf der Bühne vorstellen könnte, und da könnte er vieles sein, Monolog eines Flüchtlings, Monolog einer Frau, die eine Beziehung abgebrochen hat usw. usf., alles eine Frage der Inszenierung. Etwas ist zurückgelassen worden, was nicht genannt wird, vielleicht weil die sprechende Person noch nicht bereit ist, die Verantwortung für ihren Schritt zu übernehmen, mit dem sie aber doch zufrieden scheint, auch wenn sie nicht weiß, wie es jetzt weitergeht. Liege ich da richtig?
Gefällt mir jedenfalls gut.