beitrag von: johannarosenleitner
Na, bravo
Vorhang auf.
Ein Frisiersalon. Frau Keppler sitzt auf einem Stuhl, den Kopf versteckt in der Trockenhaube. Frau Annemarie schaltet den Radio ein. Der Kanzler spricht.
Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Frau Annemarie: So, Frau Keppler, jetzt holen wir sie runter die Wickler.
Aufgrund der erschreckenden Entwicklungen der letzten Wochen…
Frau Annemarie: Hören Sie mich, Frau Keppler? Die Wickler geben wir runter!
Frau Keppler: Jaja! Sehr gut. Man ist ja fast taub unter diesem Ding.
…und der steigenden Belegung der Betten auf den Intensivstationen…
Frau Annemarie: Zuerst muss das Netz weg, Frau Keppler, dann sind die Wickler dran!
Frau Keppler: Ist schon recht.
…um also unsere dringend gebrauchten Arbeitskräfte auf den Intensivstationen zu schonen…
Frau Annemarie: Schön ist es geworden, Frau Keppler. Nicht? Schauen Sie mal.
Frau Keppler: Ja, sehr schön. Wirklich!
…haben wir uns für eine mehrtägige Osterruhe entschieden.
Frau Keppler: Na bravo, Lockdown gibts. Da können Sie gleich wieder die Schere holen. Noch mal drei Zentimeter weg, Annemarie!
Frau Annemarie lässt den Kopf hängen und holt das Schneidewerkzeug.
Vorhang zu.
review von: antonio fian
Gefällt mir grundsätzlich gut. Ich würde es noch lakonischer machen, viele Sätze sind überflüssig ("man ist ja fast taub unter diesem Ding" z.B., das ist aus der Situation heraus klar, usw.). Die Wortspiele halten sich in Grenzen, das ist gut, der Frust der Friseurin, die ihr Kunstwerk wieder zerstören muss, das ist ein guter Schluss. Wie gesagt, kürzen täte gut.