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sie hat gesagt, dass er gesagt hat, dass sie gesagt hätte ...

beitrag von: tamaraimlinger

Neugier

Drei Szenen

1
Zwei Freund*innen in einer Wohnküche. Eine gähnt. Die andere geht hinaus.

2
Zwanzig Personen in einem U-Bahn-Waggon. Eine gähnt. Eine andere gähnt. Die Tür öffnet sich, manche steigen aus.

3
Eine Person auf der Bühne. Etwa hundert Personen im Publikumsbereich. Es geht los. Eine Person im Publikum gähnt, dann eine andere. Mit jedem Gähnen öffnet sich eine Seitentür. Eine Person steht auf, geht hinaus. Die nächste Person im Publikum gähnt. Immer mehr Türen tun sich auf, öffnen sich. Die nächste geht. So geht es weiter, bis nur noch eine Person im Publikumsbereich sitzt. Sie ist von geöffneten Türen umgeben, der Raum hat keine Wände mehr.

Die Person steht auf und sagt: Und jetzt?

review von: ferdinand schmalz

Ich finde, das könnte eine größere Abhandlung zur Kulturtechnik des öffentlichen Gähnens werden. Was ist das überhaupt, warum ist es so ansteckend, trotzdem auf seltsame Weise theatral. Es gibt ein herrliches Buch von Francis Pange "die Seife", in dem er sich extrem ausführlich mit Seife und der Kulturtechnik des Händewaschens auseinandersetzt. (Hätte eigentlich Potenzial zu dem Corona-Buch gehabt ;) )
Was mich auch noch interessierend würde ob es in diesem Theater des Gähnens auch Virtuosität gibt. Gibt es Leute, die besonders gut im Gähnen sind, dass Leute extrem weit anreisen nur um sie oder ihn gähnen zu sehen? Könnte das Gähnen vielleicht auch konzertanter oder choreografierter ablaufen? Oder ist es per definitionem unkoordiniert, anarchisch? Eher so etwas wie eine Naturgewalt?