textbefragung

review von: nora gomringer

Ja. So dachte ich immer. Ich weiß, dass ich als Kind all diese so unpersönlich, komplett welt-haltigen Texte gedanklich an mich binden wollte und dachte: Sie meinen mich. Mein Vater - der oft schweigt, lange und molasse-dunkel - spräche durch seine Texte zu mir, wäre in ihnen versteckt. Und irgendwie ist dem ja auch so, aber nicht von Autoren-Absicht her. Und mein Schweigen derzeit ist ein Gehetzt-sein. Durch diesen Krieg, der mich aus allen Zeilen anspeit. Denn Putins Lügen sind eigentlich ein Schweigen, in dem Hass, Narzissmus und höllische Absichten brüten. Und das Schweigen ist die Stille der Eltern, die ihre Kinder tragen, bis ihnen die Arme abfallen. Die Stille in den Bahnhöfen, wo Tausende ankommen, aber die Kinder ruhig sind, im Schock, ohne Giggeln oder angespanntem Weinen. Wenn die Kinder nicht mehr lärmen, weiß man, dass sie nah am Tod sind, denke ich oft. Gar nicht so sehr physisch. Nah am Instinkt ihrer Auslöschung. Oh weh - ich komme ins Leiden. Jeder Tag ist gerade leiden, dabei sitze ich bei einem Kakao um 7.30 in einem schönen Cafe vor der Arbeit im Büro und in meiner Tasse schwimmt sogar ein Herz aus Schaum. Ich habe es schrecklich gut mit meinem Herzen aus Schaum und während ich tippe, spreche ich leise mit. Kein Schweigen hier. Und Ihnen hoffentlich ein ausreichender? Gruß! in diesen Tag hinein. Ihre NG